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YouNow – viel Medienhype um nichts?

Interview mit Jöran Muuß-Merholz für „DAS“ auf N3
Interview mit Jöran Muuß-Merholz für „DAS“ auf N3

Das Fernsehen war da und wollte von mir etwas zu YouNow hören, am liebsten irgendwas über Cybermobbing und Pädophile. Zum Glück war die Journalistin von N3 eine gute, so dass der Beitrag doch recht ausgewogen geworden ist. Man kann ihn in der NDR-Mediathek (ab 20’45) ansehen.

Hier noch einige Leseempfehlungen zu YouNow aus allgemeiner und aus medienpädagogischer Warte:

YouNow ist eine Videoplattform, auf der Menschen Livevideos von sich zeigen bzw. von anderen anschauen und kommentieren. In der Regel geht es dabei nicht um besonders spektakuläre Bilder, sondern um (teilweise stundenlange) Videos von sich selbst am Schreibtisch, auf dem Sofa oder auf dem Bett. Die Zuschauer schreiben per Chat, die Sender (Broadcaster) erzählen oder zeigen was.

Um den Jahreswechsel 2014/15 herum gab es zu YouNow in Deutschland einen Medienhype. Seit kurzem haben wir in der Medienpädagogik eine gelassene Auseinandersetzung mit dem Thema. Nicola Döring hat in der merz 2015/13 einen Artikel „Gefährliche Videoübertragung aus dem Kinderzimmer? YouNow im Faktencheck“ veröffentlicht. Da die merz leider nicht open access veröffentlicht, hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Die massenmediale Darstellung sagt: YouNow ist 1. populär bei Jugendlichen, 2. sehr gefährlich für Jugendliche, 3. voll von unbedarften und freizügigen Jugendlichen, die 4. sexuell belästigt werden (v.a. von Pädophilen) und 5. gemobbt werden (v.a. von anderen Jugendlichen).
  • Um das zu prüfen, hat Döring vom 7. bis 19. April 2015 das deutschsprachige YouNow vermessen.
  • Die Vermessung war wohl gar nicht so schwierig, denn die Nutzung war recht überschaubar. Durchschnittlich sendeten im Kanal #deutsch 50 Nutzer gleichzeitig. Deren Zuschauerzahl lag zumeist zwischen 0 und 200 Personen. Bei derzeit ca. 6,5 Mio. Jugendlichen in Deutschland sähen die Größenordnungen bei einem populären Dienst wohl anders aus.
  • Bei N=150 Interaktionen wurde kein einziges Mal Nacktheit oder eine Wohnadresse gefunden.
  • Döring bilanziert: „YouNow dient vor allem dem Zeitvertreib und der Geselligkeit mit Peers. Es handelt sich um eine Form des ‚gemeinsamen Abhängens‘, nur eben medienvermittelt.

Dieses #Abhängen scheint mir ein zentraler Punkt zu sein. Wann immer Erwachsene das nicht verstehen und fragen, warum sich Jugendliche nicht „in echt“ treffen können, müssen diese Erwachsene folgende Frage beantworten: Wo sonst – in einem von ihnen selbstbestimmten Raum – können Jugendliche denn im Alltag abhängen?

Döring sieht insgesamt drei Funktionen, die YouNow für Jugendliche erfüllt:

  • YouNow als Treffpunkt: Zeitvertreib und Geselligkeit
  • YouNow als Reality-Programm: Banalität und Alltäglichkeit
  • YouNow als Bühne: Selbstdarstellung und Berühmtheit.

Die Schlussfolgerungen für die medienpädagogische Praxis lauten:

„Am wichtigsten ist es wie immer, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte als wohlwollende und gelassene Ansprechpersonen zur Verfügung stehen, an die Jugendliche sich bei Bedarf mit ihren Fragen und Sorgen (einschließlich negativer YouNow-Erfahrungen) wenden können, ohne befürchten zu müssen, selbst an den Pranger gestellt oder mit Smartphone-Verbot bestraft zu werden. Wenn es um kompetenten Umgang mit YouNow geht, stehen drei Themenkomplexe im Vordergrund, die bei jeglicher Social Media-Nutzung vordringlich sind: Privatsphäre und Datenschutz […] Prävention vor Belästigung und Mobbing […] Persönlichkeits- und Urheberrechte“ (S. 57).

Noch einige Links für Menschen, die sich weiter mit YouNow beschäftigen wollen

Einen sehr guten Überblick über Video-Livestreaming-Dienste insgesamt bietet der Schwerpunkt „Leben im Livestream“ in der c’t 13/2015 (Paywall). Und dann hier noch einige mehr oder weniger medienpädagogische Links, die sich vor allem an Eltern und Jugendliche wenden: Juuuport, FSM, Klicksafe, LeFloid.

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