Co-kreatives und co-konstruktives Schreiben und Arbeiten mit GPT, DALL-E & Co
Angesichts der Arbeit mit ChatGPT & Co. wird derzeit (2023) die Dualität „Mensch gegen Maschine“ diskutiert. Noch unterbelichtet ist dagegen die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, zwischen mir und der KI. Für die Arbeit mit GPT und anderen digitalen Akteuren suchen wir noch nach Begriffen. Hier kommt mein Vorschlag für eine Allegorie: Ping-Pong-Denken und Ping-Pong-Zusammenarbeit.
Wie nennt man die Rolle der KI in der Zusammenarbeit?
Die Suche nach Begriffen und Bildern ist keine l’art pour l’art. Einerseits suchen wir die Essenz der Bedeutungen. Andererseits legen wir mit Begriffen Bedeutungen fest, mit denen wir in Zukunft arbeiten. Das spiegelt sich zum Beispiel in Debatte um die Pronomen der Maschine oder in der Position, dass man eine Maschine nicht als „#Partner_in“ beschreiben möge, weil damit Augenhöhe und Gleichwertigkeit verbunden sei. Man solle vielmehr von „#Assistenz“ sprechen.
Erste KI-Kollaboration mit Übersetzungssoftware
Ich habe in den letzten Jahren die qualitativen Unterschiede in der Zusammenarbeit zwischen mir als Menschen und der Maschine zuerst beim Übersetzen bemerkt. Als ich 2017 „Die vier Dimensionen der Bildung“ übersetzte, habe ich zum Nachschlagen Google Translate genutzt. Es war ziemlich klar keine #Partnerschaft, eigentlich noch nicht einmal #Assistenz. Drei Jahre später, bei der Übersetzung des OECD Lernkompass 2030, gab es mit DeepL nicht nur einfach ein besseres Nachschlagewerk. Mit der App konnte man vielmehr Textabschnitte übersetzen lassen und dann in die Übersetzung hinein schreiben. Je nachdem, was ich dabei tippte, änderte DeepL die Übersetzungsvorschläge – nicht nur für das Wort, sondern auch für den weiteren Verlauf des Satzes. Ich änderte zum Beispiel das Subjekt am Satzanfang, und die Maschine schlug automatisch Varianten vor, mit denen der Satz nun weitergehen könnte. Das ganze passierte in sehr schneller Interaktion, nämlich potentiell bei jedem Buchstaben, den ich tippte. Damals kam mir erstmals das Bild, dass die Maschine und ich gedanklich Ping-Pong spielten: Eine Seite schlug etwas vor, die andere Seite reagierte darauf, worauf die erste Seite wieder auf Ideen für den weiteren Verlauf kam usw.
Zusammenarbeit mit der KI ist co-kreativ und co-konstruktiv
Mit GPT, DALL-E und anderen Generatoren hat sich für mich das Bild von Ping-Pong-Denken oder Ping-Pong-Zusammenarbeit verstärkt. Ich stelle eine Aufgabe (Prompting), die Maschine liefert ein Ergebnis. In den seltensten Fällen übernehme ich direkt dieses erste Ergebnis für die weitere Arbeit. Meist braucht es weitere Schritte, zusammen mit der Maschine. Ich sehe die Antwort der KI und erkenne DARAN besser, was ich will und was ich nicht will, welche Ideen ich noch verfolgen könnte, welche Aspekte ich noch nicht berücksichtigt hatte. Dieses Ping-Pong-Denken verläuft als iterative Spirale, bei der Aufgabenstellung und Ergebnis, Frage und Antwort, Problem und Lösung sich gegenseitig verfeinern.
Dieses Ping-Pong zwischen Mensch und Maschine nutze ich, wenn ich Konzepte entwickele, Texte schreibe („schreibe“?) oder Bilder generieren lasse. Ping-Pong-Denken ist co-kreativ und co-konstruktiv.
(Das ist übrigens bei der Zusammenarbeit zwischen Menschen ähnlich, vgl. Newell und Simon (1971, S. 17f). Und bei Innovation- und Designprozessen auch, vgl. “Innovating/Designing as a conversation and interaction with the material”, dargestellt in diesem Vortrag von Markus F. Peschl ab 25’55.)
Keine Augenhöhe zwischen Mensch und Maschine
Ist Ping-Pong-Denken eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe? Nein, definitiv nicht. Ich habe den Eindruck, dass ich im konkreten Fall die Richtung vorgebe und den Prozess steuere. (Ich schreibe „im konkreten Fall“, weil im Gegensatz dazu das Setting *insgesamt* durch die Maschine bzw. ihre Erfinder bestimmt wird.) Wenn der Begriff „Partnerschaft“ eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe voraussetzt, handelt es sich nicht um #Partnerschaft. Als #Assistenz würde ich die Rolle der Maschine aber auch nicht beschreiben, da mir die Tätigkeit im Sinne von „beistehen, unterstützen“ tendenziell zu passiv beschrieben wäre. Ping-Pong-Denken ist ein co-kreativer und co-konstruktiver Prozess, den ich als Mensch steuere. Die Maschine ist keine Partnerin auf Augenhöhe, aber mehr als eine nachrangige Assistenz.
1. Denken durch Schreiben, 2. Denken beim Sprechen, 3. Denken durch generieren (lassen)
Das „Ping-Pong-Denken“ gibt es nur, wenn ich einen externen Akteur als Gegenüber habe. Ich sehe zwei Vorstufen:
- Ein erster Schritt ist das Schreiben mit Stift & Papier, mit einer Schreibmaschine oder mit der Textverarbeitung. Die Idee, dass ich mein Denken beim und durch Schreiben weiterentwickeln kann, ist also nicht neu. Ulrike Scheuermann spricht von „Schreibdenken“. Das Werkzeug formt mein Denken zwar mit (vgl. „Nietzsche und die Schreibmaschine“). Der externe Akteur in dieser Art der Zusammenarbeit ist aber relativ wenig extern. Es war eher die passive Reflexion meiner Externalisierung, die mir beim Denken half.
- Heinrich von Kleist schrieb Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, dass das eigene Reden über ein Problem uns beim Denken hilft: „Die Idee kommt beim Sprechen“. Der Mensch hat eine „dunkle Vorstellung“, die er während und durch das Sprechen ausarbeitet. Dabei ist ein echter Mensch als Gegenüber hilfreicher, als wenn ich nur für mich selbst laut spreche. Aber auch hier ist meine Ping-Pong-Partnerin noch in einer passiven Rolle.
- Wenn ich nun mit einem Bild- oder Textgenerator mein Ping-Pong-Denken betreibe, so ist mein Gegenüber eine Maschine, eine Künstliche Intelligenz. Ihre Rolle ist deutlich aktiver als beim Schreibwerkzeug oder bei der Zuhörerin. Es ist mehr als 1. „Denken durch Schreiben“, mehr als 2. „Denken beim Sprechen“, es ist eher 3. „Denken durch generieren (lassen)“. Hier wird deutlich, dass meine künstliche Ping-Pong-Partnerin eine umfangreiche und aktive Rolle in meinem Schreib- und Denkprozess spielt.
Die KI als ausgefeilte Hälfte der Tischtennis-Platte
Wenn ich mir Ping-Pong bildlich vorstelle, sehe ich mich an einer Tischtennisplatte, deren hintere Hälfte als Wand hochgeklappt ist. Bisher war das Ping-Pong gegen die Wand relativ überschaubar, weil diese Wand relativ trivial funktionierte. Mit der neuen Generation von KI-Tools wie ChatGPT hat diese Wand als mein Gegenüber einen riesigen Sprung in Sachen Kreativität und Komplexität gemacht. Ich spiele immer noch Tischtennis gegen eine Wand – aber eine Wand mit ganz anderen Eigenschaften und Möglichkeiten!
PS: Ping-Pong-Bildgenerierung gescheitert
Übrigens: Ich wollte von DALL-E 2 ein Bild generieren lassen, bei dem ein Mensch gegen eine Maschine Tischtennis spielt. Ich habe kein gutes Ergebnis erreicht. Die Ursache für mein Scheitern ist interessant für diesen Text. Mein Account bei OpenAI verfügte noch über 14 Credits. Ich konnte also genau 14x mal Ping-Pong spielen. Und das hat nicht ausgereicht, um die Ungenauigkeit meiner Idee, den Seximus der KI, die Komplexität des Settings und meine Unentschiedenheit in Sachen Stil zu überwinden. Hier das unbefriedigende Ergebnis:
Was mir nicht gelungen ist, ein gutes Bild generieren zu lassen, hat Hauke Pölert geschafft, siehe
https://twitter.com/HPoelert/status/1715431386104950964