Zum Inhalt springen

Die Lösung für (bzw. gegen) die Q&A-Minuten am Ende von Vorträgen …

Die Meet-your-Speaker-Ecke bei Konferenzen und Tagungen

Bei Konferenzen und Tagungen gibt es viele Vorträge, die standardmäßig mit einigen Minuten für Fragen und Antworten (Q&A) enden. Das Format scheitert meistens – hier kommt die Alternative.

viele Menschen um einen Tisch herum
Meet-your-Speaker-Ecke (voll) | CC BY 4.0 by Jöran Muuß-Merholz

Meet-your-Speaker-Ecke mit zwei Menschen bei der re:learn der re:publica 2019 #rp19
Meet-your-Speaker-Ecke (persönlich) | CC BY 4.0 by Jöran Muuß-Merholz

Warum Q&A am Ende von Vorträgen nicht funktioniert

Bei einer typischen Konferenz gibt es viele Vorträge nacheinander. Am Ende sind jeweils einige Minuten für Fragen und Antworten (Questions & Answers, Q&A) vorgesehen. Ein typisches Briefing für die Referent*innen sagt beispielsweise: „Bitte tragen Sie von den 45 / 30 / 20 Minuten nur 35 / 22 / 15 Minuten vor, so dass wir noch 10 / 8 / 5 Minuten für die Diskussion haben.“ Die Idee dahinter ist gut gemeint: Es soll die Möglichkeit für Beteiligung und Dialog geschaffen werden.

In der Praxis funktioniert das meistens nicht. Hier nur einige der typischen Fallstricke:

  • Der Referent überzieht die Zeitvorgabe („Wir haben leider nur noch Zeit für eine kurze Frage.“)
  • Der erste Fragesteller will gar keine Frage stellen, sondern das sagen, was er schon immer mal sagen wollte. („Ein Punkt, den ich in ihren Ausführungen vermisst habe …“)
  • Ein übereifriger Moderator nimmt die Hälfte der Q&A-Zeit in Anspruch, weil sich nach 2 Sekunden noch keine Person gemeldet hat. („Wenn noch niemand eine Frage hat, dann nutze ich die Zeit, um selbst eine Frage zu stellen.“)
  • Der Referent verbraucht für die Beantwortung der ersten Frage die gesamte Q&A-Zeit. („Danke für die sehr gute Frage. Dazu muss ich etwas ausholen …“)
  • Es kommt zwar zu je 1 Frage von 3 Personen unter den 200 Zuhörenden. Aber die Fragen interessieren gar nicht alle 197 anderen Menschen im Publikum gleichermaßen.

Wie die Meet-your-Speaker-Ecke funktioniert

Die Alternative dazu ist die Meet-your-Speaker-Ecke (die natürlich auch anders genannt werden kann). Das Vorgehen ist einfach: Der Referent darf seine Redezeit voll ausnutzen. Dafür begibt er sich im Anschluss an den Vortrag an einen für Fragen und Austausch vorgesehenen Ort, an dem interessierte Menschen ihn treffen können. Die Vorteile dieses Formats:

  • Der Referent hat mehr Zeit für seinen Input.
  • Es gibt keine Spannungen angesichts des Umstands, dass sich viele Referenten nicht an die für Q&A vorgesehene Zeit halten.
  • Alle, die eine für sie wichtige Frage haben, können diese in Ruhe stellen und diskutieren.
  • Es müssen nicht alle im Raum, die sich ggf. für diesen Punkt gar nicht interessieren, an jeder Frage und Antwort  beteiligt sein.
  • Sowohl Fragen als auch Antworten können deutlich ausführlicher formuliert sein, weil der Zeitdruck („Bitte nur eine Frage und eine kurze Antwort!“) wegfällt.

Erprobt bei der re:publica 2019

Wir haben das Format auf der re:learn-Stage der re:publica 2019 getestet. Es hat sehr gut funktioniert. Hier die Erkenntnisse im Einzelnen:

  • Das Format wird angenommen, in unserem Fall sogar sehr gut.
  • Der quantitative Zuspruch ist unterschiedlich, wie die Fotos oben zeigen. Mal gab es kleine Einzelgespräche, mal große Runden.
  • Häufig gab es nicht nur Fragen, sondern einen ernsthaften und ausführlichen Austausch. Vereinzelt saßen Menschen bis zu 90 Minuten zusammen in der Meet-your-Speaker-Ecke.
  • In der Meet-your-Speaker-Ecke können sich auch am Thema interessierte Menschen untereinander austauschen, jenseits des Kontaktes mit dem Referenten.
  • Nicht alle Referent*innen lesen das Speaker-Briefing vorab ganz genau. Deswegen muss man ihnen das Vorgehen vor Ort zu Beginn noch einmal in Erinnerung rufen.
  • Es ist hilfreich, dass der Moderator das Vorgehen am Ende jedes Vortrags ansagt, so dass es präsent bleibt und man im Publikum ohne missbilligende Blicke der Nachbarn aufstehen und den Raum verlassen kann.
  • Durchschnittlich gab es am Ende der Talks noch Zeit für 1 oder 2 Fragen. Die Zeit wurde dann einfach auf die herkömmliche Weise genutzt, zusätzlich zu Meet-your-Speaker.

Meet-your-Speaker bei einer wissenschaftlichen Konferenz?

Die Nachteile, die ich mir vorher schon überlegt hatte, waren so gering, dass ich sie in diesem Text nicht einmal erwähnen mag. Ein Professor, der auf der re:learn-Bühne sprach, gab übrigens der Hoffnung Ausdruck, dass das Meet-your-Speaker-Format auch bei wissenschaftlichen Konferenzen erprobt werde. Mal schauen, ob sich jemand traut …

6 Gedanken zu „Die Lösung für (bzw. gegen) die Q&A-Minuten am Ende von Vorträgen …“

  1. Die Idee klingt super. Gerade auch, weil ich die erwähnten Problemen klassischen Q&As unterschreiben würde. Selten höre ich hier gute Fragen, die eine Diskussion anstoßen, einen interessanten Gedanken aufwerfen o.ä.

    Der Begriff „Meet-your-speaker“ trifft es ganz gut, ist für meinen Geschmack aber etwas sperrig – ohne an dieser Stelle eine bessere Alternative präsentieren zu können.

  2. Als […]Informatikerin suche ich ja erstmal nach Bugs: verpasse ich nicht den nächste Vortrag? Bei der Republika verpasst man ohnehin mehr Beiträge, als man sehen kann. Aber wenn es nur Slot gibt… oder ist das quasi während der Pause?

    Und angenommen, jemand hätte im Talk tatsächlich fragwürdige Sachen gesagt, bliebe das nicht ggf. unwidersprochen stehen? (Hatte neulich eine Twitter-Diskussion zu BarCamps in Hochschulen)

    Insgesamt klingt es wirklich sehr gut, weil direkter und vernetzender.

  3. Jöran Muuß-Merholz

    Ja, es gibt einige Bedenken bzw. Nachteile. Dazu gehören:
    1. Man verpasst den nächsten Talk. Das Format eignet sich weniger gut, wenn mehrere Talks nacheinander aufeinander aufbauen. (Das halte ich für einen großen Nachteil. Man muss schon *sehr* interessiert sein, wenn man zur Diskussion geht. Bei der re:learn war es kein großes Problem. Die Talks finden dort meist im Modus 2×30 Min. Talks, dann 15 Min. Pause statt. Und viele Menschen kommen nur für einzelne Talks zur jeweiligen Stage.)
    2. Wenn im Plenum akuter Diskussionsbedarf ist, findet diese ggf. gar nicht statt. (Das halte ich für vertretbar. Wenn etwas Kritisches passiert, müsste es sowohl in diesem wie auch im traditionellen Format thematisiert werden – selbst wenn die Zeit dafür eigentlich nicht da ist (was ja in beiden Szenarien passieren kann).
    3. Der Moderator hat weniger zu tun. 😉

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert