Ich habe mich lange gewehrt, die Begriffe „Digitale Bildung“ oder „Digitales Lernen“ oder „Digitale Schule“ zu benutzen, wie sie gerne für Tagungen oder in Massenmedien genutzt werden. Zum einen sind die Begriffe natürlich Unsinn, weil Bildung, Lernen und Schule selbst ja nicht digitalisiert werden, sondern nur Teile der Informationen und der Kommunikationen, die sie ausmachen. Zum anderen suggeriert die Verkürzung immer die Dominanz von #digital gegenüber Bildung, Lernen oder Schule.
Ich habe diesen Widerstand jetzt aufgegeben. Zum einen aus pragmatischen Gründen. Es ist einfach unpraktisch, stattdessen immer „Schule (oder Lernen oder Bildung) unter den Bedingungen einer Gesellschaft, deren Wandel maßgeblich von Digitalisierung, Vernetzung und Miniaturisierung geprägt wird“ zu sagen. Ich sage als Verkürzung immer noch gerne „Schule im digitalen Wandel“ oder „Lernen im digitalen Wandel“. In meiner Materialsammlung auf diigo habe ich seit Jahren das Schlagwort relearn benutzt. Aber z.B. auf Twitter hilft das auch nichts, denn um Teil der Debatte zu sein, muss man gängige Hashtags wie #digitaleBildung benutzen.
Die Österreicher sind da irgendwie pragmatischer. Sie sagen einfach „elearning“ zu allem, was ein digitales Gerät beinhaltet, selbst wenn jemand im Schulunterricht eine Vokabel nachschlägt. In Deutschland funktioniert das nicht, weil man bei „elearning“ hier ein Setting vor Augen hat, in dem man nicht gemeinsam in einem Raum sitzt.
Also versuche ich mich mal in Pragmatismus und sage jetzt (zumindest auf Twitter) „Digitale Bildung“ oder „Digitales Lernen“ oder „Digitale Schule“.
Und? Wie macht Ihr das so?
Willkommen im Club 🙂
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Wenn die Begriffe nicht passen, sollten sie auch nicht verwendet werden. Begriffe sind wichtig für die Debatte und sollten klug gewählt werden. Wie wäre es mit „vernetztes Lernen“ oder „geräteunterstütztes Lernen“?
Mir fällt auch nichts Besseres ein.
Vernetztes Lernen gab es auch schon vor dem Internet, siehe „vernetztes Denken“ (http://doebe.li/w746) – geht also auch nicht.
Geräteunterstütztes Lernen lenkt den Fokus sehr auf die Hardware, die streng genommen ja nicht digital sein müsste – auch eine Wandtafel ist ein Gerät. Und ich stelle mir die Assoziationen speziell vor, wenn jemand die Forderung „Es braucht geräteunterstütztes Lernen!“ hören würde 😉
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Ich seh es auch pragmatisch: endlich ist das Thema auf der öffentlichen Agenda und alle sind sich so einigermaßen einig, dass sich dahinter „Schule (oder Lernen oder Bildung) unter den Bedingungen einer Gesellschaft, deren Wandel maßgeblich von Digitalisierung, Vernetzung und Miniaturisierung geprägt wird“ – kürzer: Schule/Lernen/Bildung in einer mediatisierten Gesellschaft verbirgt. Ein Twitter-hashtag ist per definitionem verkürzend, oder? 😉
Wenn es also einen besseren Begriff für das Phänomen gebe, dann wäre das wahrscheinlich „Mediatisierte Bildung“, aber Bildung war schon immer mediatisiert, und nun kommt durch die digitalen/vernetzten/mobilen Medien ein neuer Mediatisierungsschub, der zu einer Transformation von Bildungsprozessen führt. Trifft es also auch nicht so. Zwar wird mit dem Begriff Digitale Bildung eine Wirkungsrichtung (Digital -> Lernen) impliziert, aber dafür gibt es ja dann den Fachdiskurs. Relearn finde ich auch nicht so ganz passend, weil sich die Grundlagen der Lernprozesse nicht geändert haben, sondern eher die Möglichkeiten der Lernumgebung/Medien.
Im Praxisdiskurs nehme ich z.B. durchaus auch mal das Wort Cybermobbing in den Mund, obwohl ich in meinen wissenschaftlichen Artikeln immer den korrekteren Begriff Cyberbullying nutze, der hilft halt nur nicht in der Kommunikation mit den Praktikern.
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Im Grunde handelte es sich beim Begriff „digitale Bildung“ um eine völlig un-sinninge Wortschöpfung! Digital bedeuted „mithilfe der Finger abzählbar“ oder auch „in diskreten Stufen erfolgend“. Das Gegenteil davon ist analog, was so viel wie „kontinuierlich, stufenlos“ bedeutet. Gibt es neben der „digitalen Bildung“ auch eine „analoge Bildung“?
Wenn man Bildung als „Bilden oder Erziehen“ versteht, dann sollte es wohl besser „Bildung unter Verwendung digitaler Medien“ heißen. Aber das ist im Grunde eigentlich gar nichts Neues: Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat schon klar und deutlich formuliert, dass sich menschliche Kommunikation immer digitaler und analoger Modalitäten bedient. Etwas verkürzt sind damit Sprache und Gefühle gemeint. In der Tat ist die Sprache ein digitales Medium, beruht sie doch auf einzelne diskrete Laute! Auch die Schrift beruht auf diskrete abzählbare Zeichen. „Bilden und Erziehen unter Verwendung digitaler Medien“ gibt es also schon seit es Sprache(n) und Schrift(en) gibt.
Im Grunde ist der Begriff „digitale Bildung“ ein Beweis für „Unbildung“, „Unbildung derer, die diesen Begriff geprägt haben und Unbildung, derer, die diesen Begriff völlig unreflektiert verwenden!
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