Drei Thesen und vier Zeichnungen zu Handyverboten
Der Spiegel macht diese Woche mit dem Thema „Mein Kind, sein Handy und ich“ auf. Es geht, wieder einmal, um „Handyverbote“ und Einschränkungen für junge Menschen. Die pädagogisch besorgte Debatte, wie wir unser (Zusammen-)Leben in Allgegenwart vernetzter Computer führen, krankt an drei großen Irrtümern.
„Mein Kind, sein Handy und ich“
Der Leitartikel im Spiegel 41/2018 beginnt: „Das Smartphone ist vielen Jugendlichen zu einer Art zweitem Gehirn geworden. Ein Leben ohne können sie sich nicht einmal vorstellen.“ Es gibt undifferenziertere Artikel als diesen. Aber er enthält alle drei großen Irrtümer der „Handys und Jugendliche“-Diskussionen, die derzeit von Pädagog*innen, Eltern und Journalisten geführt werden:
- Fehler #1: Der Begriff „Handy“ ist eine grobe Verniedlichung. Es geht nicht um tragbare Telefone, sondern um mächtige Computer mit globaler Vernetzung und Hochleistungskamera.
- Fehler #2: Die Handyverbot-Diskussion hat Schlagseite in dunkle Extreme. Die Debatten blenden weitgehend die Motivationen und Möglichkeiten, Verführungen und Vorteile von allgegenwärtigen Smartphones aus. Sie stürzen sich auf alle negativen Aspekte. Sie stellt Extremfälle statt Normalfälle in den Mittelpunkt. Sie denken in Entweder-oder statt in Sowohl-als-auch, in Schwarz-oder-weiß statt in Bunt.
- Fehler #3: Die Smartphone-Debatte der Erwachsenenwelt ist arrogant. Sie verleugnet, dass Erwachsene genau die gleichen Schwierigkeiten (und Möglichkeiten) bei der Smartphone-Nutzung wie die Jugendlichen haben.
„Meine Eltern, ihre Smartphones und ich“
Der erste wichtige Schritt einer ernsthaften Debatte um unsere Smartphone-Nutzung wäre, dass die Erwachsenen anerkennen, dass sie weder gute Vorbilder sind noch frei von den Problemen sind, die sind den Jugendlichen unterstellen.
Ich habe Punkt 3 zusammen mit Hannah Birr in einem Cartoon umgesetzt. Teil 1 und 2 habe ich ähnlich irgendwo anders abgeguckt, Teil 3 ist für mich eine entscheidende Ergänzung für den aktuellen Stand der Dinge. Die Zeichnungen stehen unter freier Lizenz auch als Slides auf Google Drive zur Verfügung. Auch die Grafik mit der Spiegel-Parodie oben ist von Hannah Birr und Teil der Folien.
Disclaimer: Ich sehe nur die Irrtümer, den Spiegel-Artikel habe ich nicht gelesen.
Zu 1: Das stimmt zwar prinzipiell, aber es hat Gründe, dass auch in der Arbeitswelt nur für bestimmte Tätigkeiten das Handy genommen wird. Der Gefahr des Handys steht oft ein Glaube an die Allmächtigkeit der Möglichkeiten, die das Handy mitbringt gegenüber. Beides ist natürlich überzogen.
Zu 2: Ich hab jetzt den Artikel nicht gelesen, deshalb kann ich nur auf den Fehler eingehen. Bei uns in der Schule existiert ein Handyverbot, dass von allen Seiten akzeptiert wird – Auch auf die Klassenfahrt in Klasse 6 sind wir ohne Handy gefahren und das gab keine Diskussionen. Das Umsetzen des Verbotes mag irgendetwas mit „dunkler Seite“ zu tun haben. Ist sowas erstmal in Kraft und sozial akzeptiert, wird es offenbar auch von Schülerseite als sinnvoll betrachtet.
Das ist vielleicht der entscheidende Punkt: Wir haben es als Gesellschaft verpasst, rechtzeitig in allen Bereichen sinnvolle Normen für den Umgang mit den Handys aufzustellen, sowohl in der Schule als auch in der Erwachsenenwelt. Die Umsetzung jetzt erfordert daher doppelte Anstrengung, weil man gegen etablierte Verhaltensweisen ankämpfen muss. Ich glaube aber, wenn wir aber erstmal sinnvolle Normen geschaffen haben, wie mit dem Handy umzugehen, wann welche Art von Konsum in welchem Alter angemessen und wo auch mal ein Handyverbot angemessen ist, dann ist auch leichter ideologiefrei darüber zu diskutieren, wo die sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten der Handys genutzt werden können.
Zu 3:
Sie verleugnet, dass Erwachsene „genau die gleichen“ Schwierigkeiten (und Möglichkeiten) bei der Smartphone-Nutzung wie die Jugendlichen haben.
Ich würde sagen, es sind nicht **genau** die gleichen. Ja: Die Probleme sind ähnliche. Bei den Kindern kommt aber noch dazu, dass ihre Gehirne in Entwicklung sind, dass Kinder noch viel stärker dabei sind ihren Platz in der (digitalen und analogen) Welt zu finden und an den Erfahrungen den sie machen auch noch viel stärker ihren Charakter ausbilden.
Wenn man von „genau den gleichen“ Schwierigkeiten spricht, dann blendet man wichtige Aspekte der Jugend aus.