Kooperation ist im 21. Jahrhundert der Standard bei Nobelpreisträgern
Ein Nobelpreis kann an 1 oder 2 oder 3 Preisträger verliehen werden (aber nie an mehr als 3). In welcher Disziplin sind die Preisträger eher Einzelkämpfer*in und wo gibt es Teamarbeit? Und wie hat sich das seit 1901 verändert? Ich habe ein paar Statistiken gebaut.
Naturwissenschaft ist mehr Teamwork als Literatur
Zunächst habe ich nach einer Statistik gesucht, die die Verteilung an 1, 2 und 3 Preisträger pro Nobelpreis zeigt, aufgeteilt nach Disziplin. Eine Statistik nach absoluten Zahlen habe ich auf der Homepage nobelprize.org selbst gefunden, allerdings nicht in Prozentzahlen. Und da die Disziplin Economics ziemlich neu ist, sind die Zahlen schwieriger zu vergleichen. Durch die anteiligen Verhältnisse (Grafik oben) kann man nun besser vergleichen und sehen:
- Literatur ist eine Disziplin der Einzelkämpfer*innen. Der Preis wurde nur 4x aufgeteilt und auch dann nie für gemeinsame Werke. (In den anderen Disziplinen wird ein Preis i.d.R. für eine gemeinsame Leistung geteilt.)
- In Chemie, Physik und Medizin gibt es häufig einen gemeinsamen Preis für 2 oder 3 Personen.
- Auch die Ökonomen und die Friedensnobelpreisträger sind eher Teamarbeiter, häufiger im Tandem und selten als Trio.
Immer mehr Teamwork, immer weniger einzelne Preisträger*innen
Als nächstes habe ich mir den Verlauf seit 1901 angeschaut. Dafür musste ich den Datensatz neu anlegen (Quelldatei s.u.). Ich habe jeweils einen 10-Jahres-Durchschnitt für die Grafik genutzt, um den mittelfristigen Verlauf zu veranschaulichen.
Die Ergebnisse nach 118 Jahren:
- Im Hälfte des 20. Jahrhundert dominierte die Auszeichnungen von Einzelpersonen, auch in den Naturwissenschaften. In Medizin ist der Trend zur Teamarbeit zuerst zu erkennen.
- Ab Mitte des 20. Jahrhunderts nimmt die Anzahl der geteilten Preise zu. In Physik und Medizin werden 2 oder 3 Preisträger zur Regel.
- In den 1980er-Jahren gibt es einen Knick und wieder mehr individuelle Preise.
- Seit der Jahrtausendwende liegt der Schnitt über alle Disziplinen hinweg (und die Literatur zieht den Schnitt ganz schön nach unten) bei 2,02 Preisträger pro Preis, wie die folgende Grafik zeigt. Dafür habe ich Durchschnittswerte pro Jahrzehnt gebildet.
- Schaut man sich die Nobelpreise Medizin, Chemie und Physik seit 2000 an, dann sind von 57 Preisen nur 5 an Einzelpersonen vergeben worden (14 an Tandems, 38 an Trios)!
Fazit
Wenn es um eine „bedeutendste Entdeckung oder Erfindung“, die „der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“ (Testament von Alfred Nobel), dann wird Kooperation immer wichtiger. Waren die Akteure in Wissenschaft und Politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch Einzelkämpfer, so sind es heute mehrheitlich Teamarbeiter*innen. Das gilt besonders für die Bereiche Medizin, Physik und Chemie. Anders verhält es sich in der Literatur, wo weiterhin alleine an großen Werken gearbeitet wird.
Materialien und Hintergrund
Ich habe die Statistiken aus den entsprechenden Listen der Preiträger*innen aus Wikipedia zusammengeschrieben. Hier sind Daten und Auswertung als Google Spreadsheet. Urheberrechtliche Ansprüche kann ich imho an diese Werke nicht stellen, weil sie keine kreativen Schöpfungen sind, höchstens eine Fleißarbeit. Für den Zweifelsfall erkläre ich hiermit eine Freigabe im Sinne von CC0.
Ich kam zu der Frage, nachdem ich gerade in den „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ von Harari las: „Menschen denken nur selten eigenständig. Vielmehr denken wir in Gruppen.“ und kurz danach irgendwas über drei Nobelpreisträger hörte.
Das ist ein sehr interessanter Artikel!
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