Wie man mit dem Begriff „Lizenzfreiheit“ in die Falle gehen kann …
Im Web findet man häufig Angebote für „lizenzfreie Fotos“, „lizenzfreie Bilder“ oder „lizenzfreie Videos“. Dahinter verbirgt sich aber genau das Gegenteil und damit eine unfreundliche Falle für alle, die auf der Suche nach Bausteinen zum Beispiel für freie Bildungsmaterialien („Open Educational Resources“) sind.
Ein Beispiel: In vier Schritten von „lizenzfrei“ zum Lizenzkauf
Die folgenden Bilder zeigen den kurzen Weg, den ich von der Werbung für „lizenzfreie Videos“ gehen muss, um zur Lizenz (sic!) für ebendiese Videos zu gelangen.
Hintergrund: Was heißt „royalty free“ auf Deutsch?
Nun könnte man unterstellen, dass der Begriff „lizenzfrei“ im besten Falle eine Irreführung ist, wenn jemand mir eine Lizenz verkaufen möchte. In der Medienbranche ist der Begriff jedoch genau für diese Nutzungsart etabliert und geht vermutlich auf einen Übersetzungsfehler zurück. Denn im Englischen ist von „royalty free“ die Rede, was im Deutschen als „lizenzfrei“ übersetzt wird. Gemeint ist damit ein Geschäftsmodell, in dem der Nutzer für die Nutzung von Fotos oder Videos pauschal bezahlt und nicht jede einzelne konkrete Nutzung abgerechnet wird. Viele Anbieter haben inzwischen ein Pauschalangebot, in dem eine bestimmte Anzahl von Medien aus ihrem Katalog genutzt werden kann, wenn man dafür einen monatlichen Beitrag zahlt.
„Royalty free“ wird im Deutschen mit „lizenzfrei“ übersetzt. Nun heißt „royalty“ allerdings nicht „Lizenz“, sondern „Tantieme“, „Honorar“ oder „Lizenzgebühr“. Korrekt müsste man „royalty free“ also nicht als „lizenzfrei“, sondern „lizenzkostenfrei“ übersetzen. Noch genauer müsste es eigentlich: „einzelne Nutzung durch Lizenzkostenpauschale frei“ heißen.
Die Alternative zu „royalty free“: Open Content und Open Educational Resources
Das Geschäftsmodell „royalty free“ richtet sich in erster Linie an Profis, bei denen Einkauf und Aufbereitung von Materialien zum Beruf gehören. Inzwischen können wir alle mittels Internet solche Aufgaben übernehmen, bei denen wir Materialien erstellen, mit den Materialien Dritter kombinieren und dann online zur Verfügung stellen. Vor diesem Hintergrund häufen sich die Angebote, die „royalty free“ auch für Nicht-Profis zur Verfügung stellen wollen. Solche Angebote finde ich im Web, wenn ich nach „lizenzfreie Bilder“ suche.
Wer nach Bildern und anderen Materialien sucht, die er/sie ohne Lizenzgebühren und ohne komplizierte Einschränkungen nutzen kann, muss daher genau aufpassen. Er/sie wird in der Regel mit einer Suche nach Inhalten unter freier Lizenz (open content) besser fahren. Im Bildungsbereich spricht man von Open Educational Resources (OER). Eine freie Lizenz ermöglicht tatsächlich die kostenfreie und auch sonst „wirklich freie“ Nutzung. In der stärksten Form verzichten die Urheber weitgehend auf alle Ansprüche und markieren ihre Werke als „CC0“ (spricht „ßi-ßi-siro“; hier erklärt), beispielsweise in der Foto-Datenbank Pixabay.
tl;dr
„Lizenzfreie Inhalte“ ist faktisch das Gegenteil von „Inhalten unter freier Lizenz“! Wer wirklich freie Materialien sucht, muss sich mit freien Lizenzen beschäftigen.
Ich habe darüber übrigens ein Buch geschrieben: Jöran Muuß-Merholz: Freie Unterrichtsmaterialien finden, rechtssicher einsetzen, selbst machen und teilen (Beltz 2018)
Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Jöran Muuß-Merholz auf joeran.de.
Guten Tag,
mein Sohn behandelt in der Schule das Thema Internetnutzung, wobei auch Rechte (was darf ich?) und somit Lizenzen ein Thema sind. Dabei sind wir u.a. auch auf Ihre Seite
https://www.joeran.de/die-luege-von-lizenzfreien-bildern/
zu der ich eine Frage habe. Sie sagen darin:
„Im Bildungsbereich spricht man von Open Educational Resources (OER). Eine freie Lizenz ermöglicht tatsächlich die kostenfreie und auch sonst „wirklich freie“ Nutzung. In der stärksten Form verzichten die Urheber weitgehend auf alle Ansprüche und markieren ihre Werke als CC0“.
Wirkliche Freiheit besteht doch aber nicht, denn es ist da die Lizenz und der Rechteinhaber anzugeben, wie Sie in folgendem Beitrag beschreiben:
https://wb-web.de/material/medien/frei-lizenziert-ist-nicht-lizenzfrei.html
Auf der Seite wiederum heißt es dann allerdings:
„[…] Tatsächlich „lizenzfrei“ sind nur sehr wenige Inhalte. Eine positive Ausnahme ist die Plattform pixabay.com, auf der Bilder unter der Lizenz CC0 (CC Zero) angeboten werden, […]“
Dies finde ich wiederum irreführend, da es suggeriert, dass einfach bei lizenzfreien Bildern die Lizenzangabe nicht nötig ist – ohne darauf einzugehen, dass lizenzfreie Bilder nicht unbedingt kostenlos sind (wie sie auf dieser Seite ja beschreiben).
Ich habe den Betreiber von wb-web.de bereits angeschrieben und fände es gut, wenn Sie auch in diesem Beitrag auf die Einschränkungen bei Bildern mit freier Lizenz kurz hinweisen.
Leider gibt es in diesem Bereich viel Verwirrung, so dass auch der Lehrer meines Sohns meinte, dass lizenzfrei und freie Lizenz das gleiche seien…
Vielen Dank.
Christoph Stegert
Danke für die Rückmeldung.
Die falsche Gleichsetzung von „freie Lizenzen“ und „lizenzfrei“ ist wirklich weit verbreitet. Wir haben sogar ein Video dazu gemacht:
https://www.youtube.com/watch?v=o70I0P6vmeE
Pixabay hat inzwischen von CC0 zu einer eigenen Lizenz „umgestellt“, was auch nicht zur Vereinfachung beigetragen hat.