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„Digitalisierung optimiert alte Pädagogik – ein Hilferuf an die Reformschule(n)“ [Vortrag in Hamburg]

Die Winterhuder Reformschule in Hamburg hat eine besondere Bedeutung für mich. Umso mehr freue ich mich, dass ich einen Vortrag im Rahmen der Reihe „Winterhuder Gespräche“ halten darf. Ich möchte dort einen Hilferuf begründen.

Die reformorientierten Schulen in Deutschland arbeiten an einer modernen Pädagogik. Das geht selten mit der Nutzung moderner Medien einher. Bisher war das zweitrangig. Man konnte mit modernen Medien altmodische Schule machen, und man konnte auch ohne Nutzung der digitalen Medien eine moderne Pädagogik vorantreiben. Derzeit kippt das für mich. Der Digitalisierungsdiskurs wird so dominant, dass er die pädagogisch wichtigen Ideen in den Hintergrund drückt. Die Debatte um #digitaleBildung braucht dringend die Stimmen der reformorientierten Schulen und Pädagog*innen.

Eckdaten

Digitalisierung optimiert alte Pädagogik – ein Hilferuf an die Reformschule(n)

Wir schreiben 2018. Die Forderung „Schule mehr digital!“ ist allerorten. Politik und Wirtschaft, Lehrerinnen, Schülerinnen und Eltern, Journalisten und Stiftungen sind sich plötzlich seltsam einig.

Digital ist nicht besser. Zumindest nicht automatisch. Mit bunten Apps lassen sich vielleicht besser Vokabeln und Matheaufgaben trainieren. Mit animierten Erklärvideos lassen sich frontale Belehrungen beliebig oft wiederholen. Mit Smartboards kann das Tafelbild durch PowerPoint ersetzt werden. Mit Lernplattformen lassen sich Materialien und Kommunikationen cloudbasiert vervielfältigen und beschleunigen.

Aber die entscheidende Frage ist doch: Optimieren wir hier nur die Schule des 19. und 20. Jahrhunderts? Verhindert die Rede von „digitale Bildung“ sogar den notwendigen Paradigmenwandel? Für Bildungsziele wie Aufklärung und Mündigkeit, Kreativität und kritisches Denken, Freiheit und Verantwortung braucht es keine Vereinfachung der digitalen Welt, sondern Ansätze, die das offene Netz umarmen, den Umgang mit Vielfalt und Chaos fördern, selbstbestimmte Aktivitäten und kollaborative Projekte ermöglichen.

Der Vortragende beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Frage, wie moderne Medien und moderne Pädagogik zusammenpassen. Inzwischen beschleicht ihn das Gefühl, dass die aktuellen Entwicklungen eher alte Pädagogiken optimieren, vielleicht sogar zementieren. Die Reformschulen müssen sich dringend einmischen – ein Hilferuf!

Jöran Muuß-Merholz …

… ist Diplom-Pädagoge und Inhaber der Agentur J&K – Jöran und Konsorten. Mit einem kleinen Team arbeitet er 1. an modernen Formen des Lernens, 2. an modernen Medien und 3. den Schnittstellen von beidem. Insbesondere berät er Organisationen, wie sie digitale Medien sinnvoll für ihre Ziele in Sachen Bildung einsetzen können. Mit der Winterhude Reformschule fühlt er sich beruflich wie privat seit mindestens 10 Jahren verbunden.

3 Gedanken zu „„Digitalisierung optimiert alte Pädagogik – ein Hilferuf an die Reformschule(n)“ [Vortrag in Hamburg]“

  1. Wäre gern zum Vortrag gekommen. Leider zu weit weg (und in der Woche).
    Genau in diesem oben beschriebenen Zustand sehe ich das Problem der Bildung. Es wird Dasselbe nur anders gemacht. In diesem Sinne unterstützt #digitalebildung das alte Bildungssystem des vorletzten Jahrhunderts.
    Gibt es den Vortrag und folgende Diskussion dann auch zum Nachhören? Würde mich freuen.
    Wünsche eine tolle, diskursreiche Gesprächsrunde.

  2. Lieber Jöran,
    Danke dir für diese Zeilen. Wenn man eben einen schlechten Prozess digitalisiert, dann hat man eben auch einen schlechten Digitalen Prozess. Daher ist es – übrigens nicht nur in der Schule – unbedingt notwendig, die Prozesse zuerst neu zu denken und dann die richtigen Prozesse zu digitalisieren.
    Ich arbeite derzeit als Dozent für Wissenschaftliches Arbeiten an einer österreichischen Fachhochschule. Die Teilnehmenden hätten eigentlich morgen ein 5stündiges Treffen gehabt, um jeweils in Kurzpräsentationen ihre Forschungsfrage und den methodischen Ansatz vorzustellen. Ich habe mich entschieden in mehreren Kurzterminen mit der gleichen Zeit für jeden Teilnehmenden persönlich eine Webkonferenz durchzuführen, an der jeder Teilenmende teilnehmen kann aber nicht muss. Ich kommentiere direkt den Ansatz, Schärfe im Einzelgespräch die Frage und zeichne dies als Video auf. Die Aufzeichnungen bekommt jeder Teilnehmende zum Abruf.
    Der Vorteil für die Teilnehmenden: sie können jede Anmerkung und Rückfrage von mir nachhören. Sie können sich nur auf ihre eigene Arbeit konzentrieren, aber auch soviel aus den anderen Präsentationen mitnehmen, wie sie wollen und wann sie wollen. Ich selbst spare mir die Reisezeit nach München und kann mich voll auf den einzelnen konzentrieren.
    Man Stelle sich vor, die Klassenarbeiten würden so korrigiert und die Eltern könnten damit verstehen, was den Lehrenden am Ausdruck stört…
    Multiple choice ist leicht digitalisiert. Aber fragt und fördert es auch die Zusammenhänge, die es braucht?
    Danke für deinen Hilferuf und die Anregungen deines Blogs
    Olaf Keser-Wagner

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