Vor ein paar Wochen wollte ich die Idee für einen DaZmooc, aus dem dann eher ein DaZhub wurde, hier loswerden. Das „Los-werden“ hat nur so mittelgut geklappt, da weiterhin viele Einzelhinweise und Fragen bei mir ankommen. Unten liste ich einige Aktivitäten auf, auf die ich nicht nicht hinweisen möchte. Schon an diesem mehr oder weniger zufälligen Ausschnitt sieht man: Es passiert sehr viel.
Davor schreibe ich den aktuellen Stand meiner Überlegungen auf, ob / wie man die verschiedenen Aktivitäten in diesem Bereich besser vernetzen könnte. Kurz gesagt: BMBF und BAMF sollten ein DaZcamp veranstalten anstatt (nur) Apps entwickeln zu lassen.
Ein DaZcamp zur Vernetzung der DaZ-für-Flüchtlinge-Aktivitäten?
Folgende Überlegung in 10+1 Schritten:
- Deutschlernen ist ein Schlüssel für Integration, ist klar.
- Die traditionellen Formen der formellen DaZ-Angebote, also vor allem Schule und Kurse, können den aktuellen Bedarf nicht annähernd abdecken, vor allem nicht bei den Erwachsenen.
- (Nichtsdestotrotz müssen diese professionellen und formellen Angebote weiterhin Priorität und Zielsetzung Nummer Eins sein.)
- In der aktuellen Situation kommt a. dem informellen Lernen und b. dem informellen Lehren eine besondere Bedeutung zu. Das sind a. vor allem Selbstlernangebote, häufig digital, und b. Lehrangebote durch Freiwillige.
- Letztere können sehr von Vernetzung und Austausch profitieren, das war ja meine Ausgangsthese zum DaZmooc. Jetzt soll es um die (digitalen) Selbstlernangebote gehen. Diese sind große Hoffnungsträger, weil sie skalieren: Unbetreute Kurse, Materialien, Apps etc. können genau so gut 1.000 wie 1,5 Millionen Menschen erreichen – Smartphones und WLAN vorausgesetzt.
- Das BMBF hat die Förderung von Lern-Apps angekündigt, „die die Flüchtlinge schnell und unkompliziert nutzen können“. Es gibt Gerüchte, dass das BMBF dafür den Anbieter Babbel unterstützen will.
- (Man könnte nun überlegen, ob das BMBF mit seinen öffentlichen Geldern nicht besser offen lizenzierte Angebote (Open Educational Resources) unterstützen sollte, die beliebig kopiert und an verschiedene Anforderungen angepasst werden können. Aber das ist ein anderes Thema.)
- Mein Punkt: Es werden im Moment an Dutzenden, vielleicht Hunderten Stellen digitale DaZ-Angebote entwickelt (siehe Liste unten). Es spricht nichts dagegen, dass BMBF und BAMF dafür Fördergelder geben.
- Besonders wirksam wäre es aber, wenn BMBF und BAMF die Dutzenden, vielleicht Hunderte Macher_innen dieser Angebote einlädt. Man könnte das Treffen „DaZcamp“ nennen und als BarCamp stattfinden lassen.
- Die Chancen und Vorteile:
- Die Macher können miteinander und voneinander lernen.
- Ähnliche Angebote können zusammenarbeiten, fusionieren oder sich voneinander abgrenzen.
- BMBF und BAMF bekommen einen guten Überblick, quasi eine lebende Marktanalyse. Auf dieser Grundlage können sie noch besser entscheiden, wo ihre Fördergelder gut investiert wären.
- Viele Initiativen, gerade die nicht-kommerziellen, erfahren eine Form der Anerkennung.
- Extra-Überlegung: Nach wie vor halte ich auch die Vernetzung der freiwilligen Lehrenden für wichtig. Ich würde die Perspektive der Lehrenden auch gar nicht von den Lehrangeboten trennen. Lehrende arbeiten ja auch nicht im luftleeren bzw. materialleeren Raum, sondern arbeiten mit Materialien, auch mit den Selbstlernangeboten.
Was denkt Ihr?
Bonustrack: Einige Aktivitäten aus dem Bereich DaZ-Materialien und -Treffen
- Oncampus an der FH Lübeck hat die Plattform integration.oncampus.de gestartet. Hier sind kostenfreie Online-Kurse zusammengestellt, die (nicht nur) Flüchtlinge kostenfrei und ohne formelle Voraussetzungen belegen können.
- Die bpb hat Unterrichtsmaterialien für Flüchtlingskinder oder junge Asylbewerber (zum Beispiel in Willkommensklassen) zusammengestellt – und fragt nach Erfahrungsberichten und Rückmeldungen aus der Schulpraxis.
- Jürgen Handke hat mit seinem Virtual Linguistics Campus ein Video produziert (Beispiel unten), mit denen syrische Flüchtlinge die deutsche Aussprache erlernen können. Eine weitere Finanzierung vorausgesetzt soll das Angebot ausgebaut werden.
- Die freie Lernplattform Serlo baut mit EU-Geldern einen neuen Fachbereich „Deutsch als Fremdsprache“ auf (und sucht dafür eine Projektleitung).
- Die Deutsche Schulakademie veranstaltet am 30.11. und 1.12.2015 ein Open-Space-Forum „Willkommen, Ankommen, Weiterkommen: mit Flüchtlingen Schule neu denken“ in Berlin.
- Der Deutsche VHS-Verband betreibt ein Portal „Ich will Deutsch lernen“. (Ich glaube, der Hinweis, dass das Portal nicht gut für Smartphones geeignet ist, hat die Verantwortlichen inzwischen erreicht.)
- Für freie Materialien (OER) hat die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet das Wiki zum-willkommen.de eingerichtet.
PS: Ich bin weiterhin weder Experte für das Sprachenlernen noch zum Thema Flüchtlinge. Ich kann weder Interviews noch gute Tipps zum Thema geben. Wer Ansprechpartner für einschlägige Fragen sucht, könnte zum Beispiel in der Facebook-Gruppe „DaZhub“ nachfragen.
Auch die Deutsch lernen Seite von der Deutschen Welle finde ich sehr gut und professionell – inklusive eines Einstufungstests. Auch wenn es diese schon etwas länger gibt.
http://www.dw.com/de/deutsch-lernen/s-2055
Du hast noch die Plattform des deutschen vhs-Verbands vergessen: „Ich will Deutsch lernen“, zum Selbstlernen, mit „Lernbegleiter“ oder sogar „Tutoren“, die eigene Lerngruppen einrichten können 🙂
http://www.iwdl.de
sorry, gefunden 🙂
Hallo Jöran,
deine Inititative und deine oben formulierten Thesen sind alle richtig. Ich bin als ehemalige Goethe-Instituts-DaZ-Lehrerin mitten drin im Thema und im Problemfeld. Dazu gehört auch, absolut keine Zeit zu haben. Die Fülle der kostenlosen online-Materialien, die ich gefunden habe, kann ich schon gar nicht mehr verwalten. Deshalb wäre so eine Fundstelle gut. ABER: ich mache doch meistens „schnell“ meine U-Materialien selbst, damit sie auf die Situation passen.
Und: wir haben zur Zeit drei syrische Flüchtlinge bei uns in einem Medienprojekt. Die habe ich recherchieren lassen was es für Apps gibt (die sie nutzen) und was es vor allem in der arabischsprachigen YouTube-Welt für Angebote gibt. Da staunen wir.
Fazit: wir sollten für die angedachten Materialsammlungen unbedingt die Flüchtlinge selbst mit einbeziehen. Sie kennen mehr Apps und Links, als wir ahnen.
Danke für diesen Überblicksbeitrag, Jöran!
Deinen Thesen kann ich nur zustimmen.
Die Dynamik, die es im Bereich Deutschunterricht für Flüchtlinge im Moment gibt, ist beeindruckend. Das zeigen die zunehmenden Einträgen in http://www.zum-willkommen.de.
Auch tandem.net/de ist eine super App um eine neue Sprache mit viel Freude zu lernen. Per Videochats, Nachrichten oder Sprachnachrichten lernt man im Tandem-Prinzip die Sprache des jeweils anderen. Viele Menschen in Deutschland wollen momentan neue Sprachen lernen, zum Beispiel Arabisch. Warum also nicht Lehrender und Schüler zugleich sein?