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Warum die Digitale Revolution des Lernens gescheitert ist

Jöran Muuß-Merholz beim 30c3Vortrag von Jöran Muuß-Merholz beim Kongress des Chaos Computer Club (CCC) am 30.12.2013 in Saal 2 des CCH

Der digitale Wandel hat uns grandiose Chancen für selbstbestimmtes, kreatives, kollaboratives, kritisches und demokratisches Lernen gebracht. Wir haben sie nicht genutzt.

für Bildnachweise etc.: die Vortragsfolien (pdf)

Die Ankündigung:

Am Morgen nach der Erfindung des Internets stand der Erste auf, um die Revolution des Lernens auszurufen. Jahrzehnte später haben wir alles an Technologie, was für die Revolution nötig erschien. Und alle Ziele grandios verfehlt. Die Verheißungen blieben aus. Es kamen elearning anstelle von selbstbestimmtem Lernen, Friss-oder-Stirb-Apps anstelle von (De-)Konstruktionswerkzeugen, multimediale Vokabeltrainer anstelle von grenzenlosen Communities, elitäre Edu-Zirkel anstelle einer Demokratisierung des Lernens. Stattdessen haben wir bunte YouTube-Videos, die das Schulfernsehen der 1970er Jahre kopieren. Wir besuchen den Massen-Onlinekurs statt den Massen-Hörsaal, Google statt die Bibliothek. Mit digitalen Schulbüchern können wir praktisch weniger anfangen als mit den analogen Vorgängern. In das Lexikon kann man inzwischen reinschreiben – macht aber keiner. Graf Zahl heißt jetzt Salman Khan. Mario Sixtus ist unser Jean Pütz. Zeit für Ernüchterung. Oder?

Rückmeldungen

Besonderer Dank für das umfangreiche Feedback via Twitter, das im Folgenden (chronologisch) gesammelt ist. Weiteres Feedback und interessante Menschen finden sich in den Kommentaren bei Google+ und auf YouTube hier und hier.

https://twitter.com/noxymo/status/417626868624670720

https://twitter.com/verfassungklage/status/417624151718117376

https://twitter.com/medienm0gul/status/417634789458739200

https://twitter.com/MarcusMoeller/status/417628084959838209

https://twitter.com/gymbla/status/417630959198928897

https://twitter.com/fraudiener/status/417632724883890176

https://twitter.com/MarcusMoeller/status/417633202635669505

https://twitter.com/noxymo/status/417635779335426049

https://twitter.com/mccab99/status/417734193724923905

https://twitter.com/ulfblanke/status/417757169698996224

https://twitter.com/gurmf/status/417809593419722752

https://twitter.com/teach4tu/status/417872927502381056

https://twitter.com/wolfulm/status/417931848493588480

https://twitter.com/wolfulm/status/417932487176646657

https://twitter.com/LuciLucius/status/417957466475741184

https://twitter.com/BiZSprockhoevel/status/417964772710445056

12 Gedanken zu „Warum die Digitale Revolution des Lernens gescheitert ist“

  1. Schöne Sache! Da könnten wir ja glatt im Duett auftreten 😉 Habe vor einer Weile auf der #om10 auch provokant die Frage gestellt, ob Bildungsvisionäre vielleicht zum Arzt gehen sollten, die Medien dabei aber bloß gestreift. An Hochschulen sehe ich jedenfalls etwas anders gelagerte Probleme als in der Schule, aber ähnliche Auswüchse. Digitales Lernen heißt dort oft nur, dass Studierende sich Präsentationsschaubilder aus Stud.IP und Co. herunterladen können. Klar, das war nun auch bewusst verkürzt und undifferenziert…

  2. Ein sehr schöner Vortrag der streckenweise auch an das 2002 erschienen Buch „Logout – warum Computer im Unterricht nichts verloren haben“ von Clifford Stoll erinnert. Ich denke diese „Lernrevolution“ scheitert an 2 Dingen:

    1. Die bildungspolitischen Adaptionsintervalle passen in keiner Weise zu den Innovationszyklen in der Informationstechnik. Während 2002 bei Stoll noch keiner an Tablets dachte sind sie heute überall (außer in den Schulen) vorhanden und unsere Kultusministerien sind aber noch auf dem Niveau des stationären PCs, vielleicht, wenn sie ganz fortschrittlich sind beim Notebook angekommen.

    2. Der Schüler an sich kann von den tollen Gadgets eigentlich noch gar nicht profitieren weil ihm dazu die elementaren Lerntechniken fehlen und außerdem das Ablenkungspotential viel zu hoch ist. Was hilft es mir, wenn $KIND einen PC mit Vokabellernprogamm hat aber stattdessen lieber $GAME zockt? In meiner Jugend hieß es mal „Computer befreien das Denken vom Wissen“, aber auch dieser Spruch setzt voraus, dass man zielgerichtet denken kann. Was ich bei Kindern in der Pubertät durchaus anzweifle. 🙂

    Danke jedenfalls für den tollen Vortrag.

  3. Sehr großartig. Kommt mit auf die Playlist von Videos, die die Student_innen im Medienseminar der Uni Duisburg anschauen sollten. Was mir besonders gut gefiel:

    1. Volle Energie auf die Deflektorschilde

    2. Lieblingsthese: Eigentlichkeit der Technik. Zu 90% funktioniert es, die restlichen 10% sind Woodoo

    3. erster Kommentar aus dem Publikum: Schüler finden genügend Möglichkeiten um die beschriebenen Probleme herumzuarbeiten. Die Kinder lernen den Umgang mit der Technik viel motivierter wenn es auf der anderen Seite Widerstände gibt.

    Außerdem hat der Vortrag und der viele Applaus gezeigt, dass es durchweg unterhaltsam und gleichzeitig lehrreich war. Sehr großartig!

  4. Zum Thema „Digitale Impotenz“. Da weiß ich Abhilfe: Wir kehren allen App- und Play-Stores den Rücken und verwandeln unser Tablet bzw. ipad in eine Art Fernbedienung, indem wir eine Remote-Desktop-App installieren (z.B. splashtop-personal). Damit können wir dann den häuslichen PC oder unser Notebook steuern, auf alle vertrauten Programme von überall her zugreifen, neue installieren (auch umfangreiche), Anpassungen vornehmen und, wenn man es kann, sogar selbst etwas programmieren. Besonders lohnend scheint mir die Idee, so das IWB in der Klasse zu steuern. Dann kann nämlich der Lehrer in der Klasse rumlaufen, einen Schüler ‚drannehmen‘, indem er ihm sein Tablet gibt, oder ein anderes Gerät zum Steuern zulassen. Das ist aber etwas anderes als Streaming, weil man auch mit der Software auf dem Rechner arbeiten kann (z.B. SMART-Notebook oder ActivInspire). Überlegt es Euch!

  5. Pingback: Edel-Rechner | Kreide fressen

  6. Woher sollte denn eine sinnvolle Nutzung der Möglichkeiten kommen? Sinnstiftend, Eigenverantwortung fördernd wird ein Instrument nur durch Menschen, die dazu anleiten. Der Vergleich mit dem Messer, mit dem man niemanden schneiden kann, ist gut gewählt.

    Hoffentlich werden Möglichkeiten, die z.B. schuleigene Wikis bieten, in Zukunft stärker genutzt, möglich durch entsprechende Einträge in Lehrpläne bzw. in neue Unterrichtsfächer.

    Das „90 Prozent funktionieren, das reicht nicht“ ist auch ein wichtiges Argument für neu einzurichtende Strukturen, die die Schulen auf eine Sicherheit von über 99% Sicherheit anheben.

    Aus meiner Sicht hervorragend zur Selbst-Gestaltung geeignete Software sind:
    Für Mathematik: GeoGebra
    für Physik: Algodoo
    und etwas selbst zu programmieren

  7. ist sicherlich auch ein guter Ansatz. Schüler können sogar selbst apps programmieren lernen.

    Die Möglichkeiten, die Herr Meffert aufgezeigt hat, sind ebenfalls bemerkenswert gut, und zukunftsweisend.

    Gefahren und Mißbrauch digitaler Medien sollen Schulen ausschließen, daher ist die Übertragung von Verantwortung, sowie die Ausübung von bestimmten Kontrollen erforderlich, um Schüler und Lehrer zu schützen. Um dennoch kreatives Arbeiten zu ermöglichen, müssen ganz einfach neue Strukturen geschaffen werden, durch Vergabe von Rechten ( und Pflichten ), wie gesagt, ist ein schuleigenes Wiki ein gutes Instrument hierfür.

    Ungereimtheiten aufzuzeigen ist leichter, als etwas zu verbessern oder ins Leben zu rufen, es braucht viel Energie und Zeit, Visionen zu entwickeln und zu verwirklichen, noch fehlen dazu die erforderlichen Strukturen, auch die entsprechenden Arbeitsstellen sind nicht geschaffen. Wer etwas verändern will, muss die nötige „manpower“ zur Verfügung stellen, automatisch funktionieren nur Geld-scheffelnde Apps.

  8. Pingback: Warum die Revolution des Lernens mit digitalen Medien ein offener Prozess ist | Medien im Geschichtsunterricht

  9. Pingback: Warum die Digitale Revolution des Lernens gescheitert ist. | Juli bis Dezember

  10. Ich arbeite in meiner Freizeit als Nachhilfelehrer und eine Sache die mir bei meinen Schülern immer wieder auffällt (vor allem in Chemie und Physik) ist, das ich sage: „Das verlangt niemand von euch Auswendig zu lernen, sowas sind Dinge die man nachschaut.“ und ich dann zurückekomme: „Doch unser Lehrer sagt wir müssen das wissen“.
    Z.B. musste eine Schülerin die molaren Massen von Wasser und einigen Organischen Verbindungen lernen. Wozu ist dieses Wissen gut, wenn sie später nicht in einen Chemischen Beruf einsteigt? Selbst wenn sie in einen einsteigen sollte, sind das Dinge die man einfach in einer Formelsammlung oder dem Internet nachschlägt.
    Nochmal vielen Dank für den Talk, jetzt müssen wir nur darauf hoffen das diese Gedankenanstöße umgesetzt werden.

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