… dummerweise haben Lehrer*innen und Schüler*innen nichts davon.
In Deutschland wurde viel Geld in Sachen „digitale Schule“ in interaktive Whiteboards (IWB) gesteckt, landläufig Smartboards, vereinzelt auch interaktive Wandtafel genannt. In Vorträgen und Diskussionen stelle ich gerne folgende These auf, die stets für viel Gelächter sorgt, die ich aber völlig ernst nehme und meine:
Entscheider entscheiden sich so gerne für die Anschaffung von Smartboards, weil sie sich so gut davor fotografieren lassen können.
Das gilt für Schulleitungen, aber besonders für die Schulträger.
Ein Beispiel: „Quantensprung für den Unterricht“
Am Ausschnitt mit Landrat Nuß aus Würzburg lassen sich die medialen Vorteile der Anschaffung eines Whiteboards nachvollziehen:
- Man erkennt, dass etwas passiert ist. (Das Smartboard ist jetzt da.)
- Man erkennt, dass das Neue irgendwie digital und interaktiv ist. (Es leuchtet hell und etwas verändert sich bei Berührung.)
- Man erkennt, wie es funktioniert. (Stift in der Hand, Schrift auf der Tafel.)
- Man erkennt, dass es gerade keine Revolution ist. (Die eingesetzte Methode „Lückentexttest“ kennt man aus der eigenen Schulzeit.)
- Man erkennt, dass Menschen glücklich sind. (Schüler UND Schulrat freuen sich.)
Fazit aus Sicht des Landrats: Der Entscheider hat etwas entschieden, was irgendwie modern wirkt, die Menschen nicht verunsichert und Kinder glücklich macht.
Warum ist das ein Problem?
Der Nutzen von Interaktiven Whiteboards ist zweifelhaft. Wenn es gut geht, dann haben gute Lehrer*innen zusätzliche Möglichkeiten für guten Unterricht. Wenn es schlecht läuft, verfestigt die neue Technologie alte Muster. Was in analogen Zeiten das Tafelbild des Lehrvortrags war, ist jetzt die PowerPoint-Präsentation, ggf. garniert mit kleinen Videos. „Eine digitale Tafel bleibt – zunächst – eine Tafel und befördert daher den lehrerinnen- und lehrerzentrierten Frontalunterricht.“ (Thomas Knaus (2011): Weiß ist das neue Grün – Pro und Contra digitaler Tafeln).
(Ich vermute, die tatsächlich am stärksten veränderte Nutzungsweise ist das nunmehr vereinfachte Vorführen von Videos im Klassenzimmer.)
Ein Schlüssel für guten Unterricht sind die Whiteboards nicht. Dafür wären zum Beispiel eine gute WLAN-Infrastruktur und natürlich Fortbildungen wichtiger und folgenreicher. Das Dumme ist nur: Man kann sich mit WLAN und Fortbildungen schlecht fotografieren lassen. Jeder Euro, der in Whiteboards gesteckt wird, kann nicht mehr für sinnvollere Dinge ausgegeben werden.
Mehr Beispiele
Ich bin natürlich keineswegs der erste, der diese These aufgestellt hat, vgl. zum Beispiel Axel Krommer.
Besonders schön: Gerhard Brandhofer hat in einem Pinterest-Board Dutzende von Zeitungsausschnitten gesammelt, die Axel Krommers These stützen: „Der größte Vorteil des Whiteboards ist bekanntlich, dass man sich für die Presse davor fotografieren lassen kann.“
Mir ist darüber hinaus der eigentlich unsäglich unsinnige Gebrauch des Begriffs „Quantensprung“ aufgefallen, der hier dann ja doch unfreiwillig passend ist.
Danke für den Beitrag. Schön wäre jetzt noch eine Ergänzung mit Hinweisen, wie Whiteboards sinnvoll und nicht nur als Hintergrundbild für tolle Pressefotos genutzt werden können. (Welche Apps korrespondieren, mit den WB, wie lässt sich die Verfestigung von bzw. Rückkehr zum Frontalunterricht trotz Nutzung des WB vermeiden und mehr. Vielleicht reicht ja eine kleine kommentierte Linkliste hierzu?
Das W-LAN ist meiner Wahrnehmung nach wirklich ein großes Problem. Ich war neulich in einer Grundschule in BaWü, wo der Netzzugriff verständlicherweise nicht offen möglich ist. Trotzdem würde die Lehrerin gerne von Zeit zu Zeit mit den Schülern/innen ins Netz. Keine Chance. Das Netzwerk wurde so konfiguriert, dass nur das Gerät der Lehrerin darauf zugreifen kann. Die Schüler/innen wurden trotz Passworteingabe nach einer Minute wieder rausfgeworfen und stattdessen mit dem Intranet der Schule verbunden. Einen Techniker/Administrator gibt es an der Schule nicht. Und von kultusministerialer Seite wird man als Lehrer kritisch beäugt, wenn man in der Richtung Vorstöße macht. Auch die privat gespendeten Tablets werden eher „geduldet“ als begrüßt.
Gibt es irgendwo einen stichhaltigen Beleg, dass IWB den lehrezentrierten Unterricht bzw. Frontalunterricht befördern? Bei Thomas Knaus ist das ja auch nur eine Behauptung, die nicht weiter belegt wird.
Zudem könnte man noch darüber streiten, ob Frontalunterricht/direkte Instruktion nicht in gewissen Situationen effektiv/wirksam und damit angebracht ist.
Ein weiterer Punkt: Meistens gibt es kein vernünftiges Konzept, wie die Dinger gewartet werden. Nur in den seltensten Fällen wird dafür qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt. Meistens machen es engagierte Lehrer nebenher, was lobenswert aber nicht unbedingt professionel und zeitlich flexibel ist. Wenn eine Lehrerin erstmal 10 Minuten kalibrieren muss ist das beste Unterrichtskonzept für die Katz. (Die klassische Tafel stürzt nur ab, wenn sie nicht richtig an die Wand gedübelt ist…)
Der nächste Engpass kommt bei der Ersatzbeschaffung. Wenn ein gerät erstmal sein jahre auf dem Buckel hat und der Landrat grade andere Prioritäten hat und/oder kein Geld, dann stehen irgendwann funktionsuntüchtige Gerätschaften in der gegend rum.
In vielen Schulen zieren IWB die Wände und werden wenig genutzt. Kommt die Technik neu in die Schule, gibt es zumeist eine kurze Einführung durch die Firma, welche den Vertrieb macht. Danach stehen die Lehrerinnen und Lehrer alleine da. Man kann viel mit IWB machen, wenn man weiß, wie es geht. Das zeigt ein Berufskolleg in meiner Region, wo auch die Schüler mit der Software zum Smartboard arbeiten. Viele Lehrende wissen schlicht nicht, wie man mit den Geräten umgeht, wie man ihre Möglichkeiten für eine guten Unterricht nutzen kann. Die Beobachtung, dass ein IWB für einige Lehrende eine schnelle praktische Lösung ist, mal ein Filmchen zu zeigen, kann ich bestätigen.
Was bei IWB auch nicht bedacht wird, ist die Alterung der Technik sowie die mangelnde Kompatibilität verschiedener Systeme. Entscheidet sich eine Schule für einen Hersteller, muss man bei diesem bleiben, damit die von Lehrenden erarbeiteten Materialien (wenn sie mit der Softwaresuite des Herstellers erstellt wurden) auch in anderen Räumen und auf anderen IWB genutzt werden können. In meinem Schulzentrum stehen mittlerweile IWB von drei verschiedenen Herstellern, die nicht miteinander kompatibel sind, und sich darüber hinaus auch noch anders bedienen!
Kreidetafeln halten Schülergenerationen lang. IWB kommen irgendwann in die Jahre. Entweder die Technik versagt dann und/oder sie lassen sich nicht mehr mit aktueller Software nutzen.
Dieses wird oft nicht bedacht, wenn die Dinger angeschafft werden.
Ich persönlich empfehle mittlerweile, das Geld lieber in mobile Geräte und Projektoren zu investieren und Möglichkeiten, von diesen Geräten den Bildschirminhalt auf die Projektoren zu übertragen mit Lösungen wie Chromecast, Apple TV und ähnlich. Eine Schule hat dadurch meiner Meinung nach einen wesentlich größeren Wirkungsfaktor für die getätigten Investitionen.
Ich kann diese Diskussion nicht nachvollziehen!
Zugegeben: Die verschiedenen Hersteller behindern eher als es förderlich wäre.
Dennoch kann man die Daten importieren, im Webviewer arbeiten – oder eben die Software aller vorhandenen Boards auf den Rechnern installieren. ( Es müssen ja nur die passenden Treiber installiert sein.)
Großer Vorteil der IWB ist doch die Transparenz! Meine Schüler haben auch zu Hause noch Zugriff auf mein Tafelbild. Egal, ob ein Schüler im Unterricht war oder nicht – die Aufgaben zur nächsten Stunde sind klar. Und man kann zu Hause auch noch alles nacharbeiten.
Es ist selbst Tage/Wochen später nachvollziehbar, was wie erklärt wurde.
Ich habe kein Problem damit – und meinen Schülern hilft es.
Für diese Geräte benötige ich zudem kein WLAN – und selbst Miracast läuft ohne WLAN.
Eine Netzwerkbuchse für Laptops hatte ich lange vor der WLAN-Diskussion (und die Kabel stören kaum!)
Mit dem IWB kann ich in Physik sofort Messwerte in mein Tafelbild integrieren. Die Dokumenten-Kamera ist mehr als ein Ersatz für den OHP. Und in Mathe kann ich so auch 3D-Probleme schneller fassen.
Zuletzt noch: Guter Frontal-Unterricht soll existieren und mehr als der Nürnberger Trichter sein!
Aber vielleicht mache ich ja auch nur alles falsch – und belüge mich selbst dabei – wenn ich diese Art dem Lernen mit Apps vorziehe. (Wobei es hier ja bei A. Krömer auch einen netten Vergleich „zu früher“ gibt)