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„Digitale Mediensucht“? Kritik an der BLIKK-Studie

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat zusammen mit einigen Medizinern die BLIKK-Studie 2017 zum Thema Digitale Mediensucht vorgestellt:

„Übermäßiger Medienkonsum gefährdet Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Drogenbeauftragte fordert mehr ‚digitale Fürsorge’“

Die Massenmedien sind darauf ziemlich gut angesprungen und titelten so etwas wie:

„Zu viel Smartphone macht Kinder krank“

Kritik an „digitale Mediensucht“

Es gibt da allerdings gleich mehrere Probleme. Eins davon lautet: Die Studie ist noch gar nicht da. Es gibt bisher nur ein sehr dürftiges „Fact Sheet“ und eine kuriose Powerpoint-Präsentation. (Einer der Autoren gab übrigens zu Protokoll, die Rechtschreibfehler in der Präsentation seien mit Absicht eingebaut worden.) Ein anderes Problem: „digitale Mediensucht“ ist als Begriff so pauschal, dass man damit eigentlich gar nichts anfangen kann. Und noch ein weiterer Punkt: Die von den Ärzten empfohlenen digitale Diät verbunden mit einem Rezept für Medienkompetenz sind aus medienpädagogischer Sicht ziemlich dürftig. Das ist, als würde ich als Medienpädagoge den Medizinern den Tipp geben: „Schlagt dem Patienten einfach mit dem Holzhammer auf dem Kopf. Dann ist der erstmal ruhig.“ Damit könnte ich zwar eine Menge Symptome erstmal in den Hintergrund rücken. Aber ich habe nicht wirklich geholfen.

Ich bedanke mich bei Daniel Bröckerhoff und ZDF heute+ dafür, dass ich in diesem Interview meine Einschätzungen dazu abgeben durfte.

Das Video kann bei Facebook und Twitter / Periscope nachgeschaut werden.

Medienpädagoge Jöran Muuß-Merholz kritisiert die BLIKK-Studie zu „digitale Mediensucht“
ZDF Interview zu „Digitale Mediensucht“ mit Jöran Muuß-Merholz und Daniel Bröckerhoff

5 Gedanken zu „„Digitale Mediensucht“? Kritik an der BLIKK-Studie“

  1. Scheinkorrelationen sind eine Sache, aber die Realität auszublenden und mit Absicht die Köpfe weg zu drehen und die Ausnahmen als Generalitäten zu bezeichnen ist eine typische Tendenz unsere Gesellschaft. Wir wünschen uns das alles harmlos ist und von alleine weg geht, wie in ein Disney Film. Die ganzen Medien und Wirtschaft profitieren von Medien Nützung und Geräte & Apps Verkauf, und das ist was die braven Medienpädagogen total offen zu Digitalisierung versuchen auch zu verkaufen, um mit deren Kompetenzen noch ein Experten position sich zu schaffen. Das ist eine Ausblendung der Realität nach dem Motto: „Die Statistik ist nicht perfekt, dafür verwieren wir uns weiter mit Details und sehen überhaupt nicht mehr das Gesamtbild. “ Hauptsache, kriegen wir Aussagen wie „Kein Grund sich Sorgen zu machen“, und dann sind wir beruhigt, weil wir mit Schwierigkeiten überhaupt nicht mehr umgehen können. Das erste Schritt um jede Abhängigkeit zu bekämpfen ist die zu erkennen. Und wie jeder Raucher denkt er kann jeder Zeit aufhören, und alles ist nur eine Lebensstil Frage, so denkt man mit gebeugten Kopf über das leuchtende Screen – das ist alles nur Effektivität, Kommunikation, Information – ich muss dabei sein! Leider, bleibt man dabei nur virtuell und die Realität wird immer enger durch den Tunnelblick. Was für eine funktionale Mirage: “ Ich habe das Gefühl ich mach mir die Welt wie es mir gefällt“. Obwohl ich mich selber behindere und abschrotte. Sieht man wirklich nicht die paralellen zum Drogenabhängigkeit?

  2. @ALEX PUISA:

    Realität ausblenden? Meinen Sie damit, dass es Probleme im Mediennutzungsverhalten gibt? Da stimme ich Ihnen zu. Das die Absicht besteht den Kopf wegzudrehen (an die Adresse der Medienpädagogen) halte ich allerdings für nicht zutreffend. Es braucht Untersuchungen und Studien, allerdings, wie bereits oben genannt und aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet, gibt es bisher noch keinen nachgewiesenen Grad an Validität (Gültigkeit), die aber neben den beiden Aspekten Reliabilität und Objektivität in der Wissenschaft unabdingbar sind – besonders wenn diese Veröffentlichung eine hohe Reichweite in der Verbreitung hat. Die Problematiken treten da an mehreren Stellen auf:
    a) Wie bereits genannt, es ist noch keine vollständig publizierte Studie!
    b) Lediglich Mediziner und Psychologen leiten eine Studie über MEDIENnutzungsverhalten – es gibt ganze Wissenschaftszweige zu dieser Thematik: Kommunikationswissenschaften (Bsp. Nachrichtenkompetenz), Psychologie (z.T. in der Studie vertreten, aber nicht diejenigen, die zu Medien und Verhaltensstörungen forschen), Medienwissenschaft, Medienpädagogik, etc. pp., die unbedingt als Forschungsexpertise einbezogen werden müssen.
    c) Die Rezeption der Veröffentlichung, die mit falschen Wirkungszusammenhängen und Schlussfolgerungen daher kommen.
    Das man erhebliche Zweifel an diesen Veröffentlichungen äußern muss ist eben notwendig, weil bei falscher Diagnose die falschen „Medikamente“ oder falschen Behandlungsmethoden in Betracht gezogen werden, die zwar Symptomatiken womöglich unterdrücken, aber nicht das Pathologische beheben. Wie Herr Muuß-Mehrholz bereits angedeutet hat – es gibt keine Smartphone-Sucht: Bestes Bsp. für die falsche Rezeption von Sucht ist die sogenannte IAD „Internet Addiction Disorder“ (zu dt. „Internetsucht“), die satirisch von einem Herrn Ivan Goldberg 1985 via Email an Kollegen verbreitet wurde, der anhand der Symptome der Spiel-/Casinosucht am Beispiel Internetnutzung zeigen wollte, dass diese Symptome beliebig auf sehr viele störende Verhaltensweisen übertragen und somit eine Sucht fehldiagnostiziert werden könnte. Dieser Hoax wurde von vielen populärwissenschaftlichen Magazinen und unvorsichtigen Wissenschaftlern als zutreffend wahrgenommen und hält sich seitdem eisern in den Medien – soviel auch zur Realität. Seither haben sich alle bisherigen Studien, die eine Medien-Sucht nachweisen wollten die Zähne ausgebissen und keine wissenschaftlichen Nachweise geliefert. Es sind Verhaltensstörungen, die anders behandelt werden müssen und auch in der Verantwortung der Eltern liegen – dazu braucht es keine Psychologen oder Psychiater, die therapeutische oder medikamentöse Behandlungen vornehmen, sondern einen reflektierten Umgang mit diesen Medien (das was ansatzweise auch von den Forschern der kommenden Studie auch aufgeführt und schon lange von Medienpädagogen gefordert und gefördert wird). Digitale Medien haben ein großes Potenzial, aber eben auch Gefahren, wie Herr Muuß-Mehrholz auch mit der Verstärkung der Probleme aufgeführt hat (weitere Probleme sind: Datenschutz, Ablenkungspotenzial, Cybermobbing etc.). Und das ist etwas, was der eigentlichen Realität näher kommt: Erforschung und Training von Medienkompetenz, welche von Medienpädagogen und vielen weiteren Forschern vorgenommen wird – leider noch unter dem Potenzial. (Wenn man betrachtet, wie weit die internationale Forschung ist.) Zwar bemerken Eltern, Lehrer_innen, Passanten, Kinder & Jugendliche, etc. das es Probleme gibt, allerdings wird der Rat meist über die verzerrte Rezeption geholt und die Verantwortung fälschlicherweise weitergegeben und somit die Probleme nicht gelöst, sondern mit Placebos oder gar Sedativa verschlimmert.

  3. Bleibt heute im Jahre 2023 auch nicht mehr aus was die Digitale Mediensucht betrifft! Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass es künftig noch extremer werden wird! 😉

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