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Was haben OER mit digitaler Integration und Medienkompetenz zu tun? (Text von 2013)

Open Educational Resources (OER) und digitale Integration und Medienkompetenz – wie stehen diese drei Dinge zueinander? Als ich kürzlich (2019) recherchierte, stolperte ich über diesen Text hier von 2013, der kurioserweise im Netz kaum noch zu finden ist. Also hier eine Kopie …

Cover der u.a. Publikation von 2013

Dieser Text erschien erstmals 2013 in:

Lernen in der digitalen Gesellschaft – Offen, vernetzt, integrativ
Luise Ludwig, Kristin Narr, Sabine Frank, Daniel Staemmler (Hrsg.)
Internet & Gesellschaft Collaboratory, 2013. S. 98-100
Im Netz kaum noch zu finden, nur über Google Books.


Was haben OER mit digitaler Integration und Medienkompetenz zu tun? (2013)

von Jöran Muuß-Merholz mit Anregungen von Felix Schaumburg und Thomas Bernhardt (2013)

Ohu „Digitale Integration und Medienkompetenz“ heißt die Expertengruppe, in der die Initiative „Lernen in der digitalen Gesellschaft“ gestartet wurde. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Bereich Open Educational Resources – kurz: OER. Warum eigentlich? Was haben OER mit digitaler Integration zu tun? Und was mit Medienkompetenz?

1. Das Menschenbild des Lernenden und des Lehrenden hinter OER ist das eines aktiven, kommunizierenden, partizipierenden, kooperierenden, kreativen Menschen (und nicht das eines passiven, rezipierenden, anwendenden Menschen). Dies entspricht den Grundannahmen für digitale Integration und Medienkompetenz.

2. Gesellschaftliche Partizipation und Integration brauchen Offenheit. In technischer wie in kultureller Hinsicht müssen die Hürden so niedrig und die Ein- stiegsmöglichkeiten so einfach wie möglich sein, damit der Einzelne aktiv gestalten, sich und seine Interessen einbringen kann. Im Rahmen von Lehr-Lern-Situationen gilt das umso mehr. Denn hier wird ständig als „Subtext“ mitgelernt, ob Medien nur nach Vorgabe der Medienersteller passiv konsumiert oder aber aktiv gestaltet, verändert und geteilt werden können. OER bedeuten mediale Emanzipation.

3a. Für das Erstellen, Verteilen, Finden, Auswählen und Anwenden von OER ist Medienkompetenz gleichzeitig Voraussetzung und Ergebnis. Lehrende brauchen und entwickeln Medienkompetenz also anhand der Beschäftigung mit OER. Insofern sind OER ein riesiges Medienkompetenz-Förderungsprojekt für Lehrerinnen und Lehrer (sowie für Behördenmitarbeiter, Verlagsangehörige etc.).

3b. Dabei gilt: nicht nur mehr, sondern auch intensiver: Das Verständnis von Medienkompetenz kann sich für viele Personen erweitern. Zu Medienkompetenz gehört nicht nur die mehr oder weniger banale Anwendung von Materialien (quasi als Bedienung von Medien), sondern vielmehr die selbstbestimmte Nutzung, kritische Einschätzung, kreative Gestaltung, der kollaborative Austausch von und mit Medien.

4. Am Unterrichtsmaterial wird deutlich sichtbar, dass Digitalisierung heute auch in und für Schule statt␣ndet. Immer mehr Lehrende nutzen digitale Materialien, digitale Werkzeuge und digitale Plattformen, aber häufig unreflektiert und unsystematisch. Der größte Anteil der Medienkompetenz wird informell durch Voneinanderlernen unter Lehrenden entwickelt. OER verstärken dies, weil über die gemeinsame Entwicklung von Materialien auch die Kollaboration zwischen Digital-Fortgeschrittenen und Digital-Anfängern unterstützt wird. Bisher wird diese Form der Kollaboration häufig im stillen Kämmerlein praktiziert oder findet gar nicht statt, weil Lehrende wissen fühlen, dass sie sich in urheberrechtlich problematischen Gefilden bewegen.

5. Medienkompetenz heißt, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Medien zu kennen. Insbesondere trifft das auf das Urheberrecht zu, denn in der Web- 2.0-Gesellschaft ist jeder, der veröffentlicht, von der Problematik betroffen. Diese Auseinandersetzung ist nicht nur hinsichtlich Lehr-Lern-Materialien notwendig. Auch im Hinblick auf die Medienwelt von Kindern und Jugendlichen sind Urheberrecht und der verantwortungsbewusste Umgang mit geistigem Eigentum ein wichtiges Thema (bzw. sollte es im Sinne von Medienkompetenz sein).

6. Materialien zum Einsatz in der Medienkompetenzförderung lassen sich auch als OER entwickeln.

7. OER fördern die Vielfalt von Lernmaterialien. Sie sind mit unterschiedlichen Lernstilen, Voraussetzungen und Zugängen vereinbar, die bei möglichen Lernenden ganz unterschiedlich ausgeprägt sein können. So finden auch kleinere oder Randgruppen für sie angepasste Materialien und die digitale Integration wird gefördert.

8. OER können die digitale Integration in der Gesellschaft unterstützen, weil der Zugang zu Lernmaterialien einfacher und günstiger wird. Die Unabhängigkeit von Einkommen, formellem Status etc. wächst potenziell mit OER.

9. Digitale Integration wird nicht nur binnengesellschaftlich, sondern auch global gefördert, weil OER-Materialien potenziell weltweit verfügbar, anpassbar und weiterverwendbar sind.

10. Die Debatte um OER fördert die Diskussion um die mediale Ausstattung an Schulen (z.B. Software, Hardware, Netz, Schulungen), welche auch für die digitale Integration von großer Bedeutung ist.

11. Digitale Integration heißt, dass die Akteure aus verschiedenen Gruppen miteinander an einem Tisch sitzen und sich nicht diesseits des Tellerrands austauschen. Die Debatte um OER bringt verstärkt verschiedene Akteure zusammen, die bisher in getrennten Kreisen diskutierten.

Diese Argumentensammlung ist einseitig. Selbstverständlich gibt es weitere und Gegenargumente in der Diskussion. Womit wir wieder bei Punkt 11 wären…

Dieses Werk bzw. Inhalt von Jöran Muuß-Merholz steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz.

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