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Geschichte bedeutet immer Medien – Digitale Medien im Unterricht von Daniel Bernsen

Daniel Bernsen (Foto: privat; Bild steht nicht unter freier Lizenz)

Classroom4.eu – ein multimediales, europäisches Schulbuch

Unter www.classroom4wiki.eu findet man ein Schulbuch zur europäischen Kulturgeschichte. Der Geschichtslehrer Daniel Bernsen gehört zum Gründungsteam der Online-Plattform. Die Überschriften der Artikel lauten zum Beispiel „Die Daguerrotypie – Einführung der Fotografie in Koblenz“, „Postzensur nach dem Ersten Weltkrieg“,  „Tasteninstrumente – eine Einführung“ oder „Portraitkünstler Januarius Zick (1737-1790)“. Es gibt Artikel auf Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch und Spanisch. Was man auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennt: Die Autoren der Inhalte sind Schüler aus verschiedenen Ländern Europas. Einige von ihnen stammen aus dem Eichendorff-Gymnasium Koblenz und haben ihre Essays im Leistungskurs Geschichte bei ihrem Lehrer Daniel Bernsen geschrieben.


Dieser Artikel ist Teil der 10-teiligen Reihe „Chancen der Digitalisierung für individuelle Förderung im Unterricht – zehn gute Beispiele aus der Schulpraxis“. Mehr dazu …


Auf lokaler Ebene europäische Geschichte schreiben

Das großangelegte Projekt Classroom4.eu verbindet regionale und europäische Geschichte. Daniel Bernsen erklärt: „Schüler in Sek II recherchieren selbständig zur Geschichte ihrer Stadt, suchen nach den regionalen Verflechtungen in Europa und stellen die Ergebnisse in Form von Essays online.“ Am Anfang stand die Idee, das Ganze als europäischen Wettbewerb zu organisieren und die besten Schüler-Aufsätze in einem Buch zu veröffentlichen. Daniel Bernsen und seine Mitstreiter haben sich stattdessen für eine Website auf Wiki-Basis entschieden. „Wir sind relativ schnell auf die Vorteile eines interaktiven Online-Schulbuchs gekommen: 1. Es besteht keine Begrenzung hinsichtlich des Umfangs. Das ‚Buch’ kann also ständig erweitert werden, wobei insbesondere lokale, regionale oder nationale Sonderentwicklungen abgebildet werden können. 2. Über die Verlinkungen zwischen verschiedenen Artikeln wird unsere Grundidee abgebildet, Europa als einen über Personen vernetzten Kommunikationsraum darzustellen. Und 3. sind als Inhalte nicht nur Texte und Bilder, sondern perspektivisch auch Videos, Übungen oder Lernspiele denkbar.“

Fragen an die Geschichte

Daniel Bernsen nutzt das Projekt, um seinen Leistungskurs Geschichte zu Beginn von Jahrgang 11 an die Methoden des Fachs heranzuführen. „Da geht es um grundlegende Dinge: Wie funktioniert dieses Fach überhaupt? Wie recherchiere ich? Wie forsche ich? Wie schreibe ich? Das lässt sich sehr gut lernen, wenn man einen Essay für Classroom4.eu schreibt.“

Zu Beginn zeigt Bernsen den Schüler die Website, stellt ihnen die verschiedenen Themenbereiche vor und erklärt die Projektidee. Dann gibt er die Hausaufgabe: „Überlegt euch bis zur kommenden Woche, welches Thema euch so interessiert, dass ihr für vier Wochen dazu arbeiten wollt! Es muss zu einem der Themenbereiche auf der Website passen und einen Bezug zu eurem Wohnort haben.“ Die Schüler sollen auf diese Weise lernen, wie man Fragen an die Geschichte stellt.

In der nächsten Stunde werden die Themen gesammelt, angepasst und konkretisiert. Für die erste Recherchephase können sich Schüler zusammentun, die zum gleichen Oberthema arbeiten. Bernsen geht mit dem Kurs in den Computerraum. „Zunächst machen die Schüler eine allgemeine Recherche: ‚Was gibt es zu dem Thema? Was finde ich dazu in Bezug auf Koblenz?’ Häufig kommt dabei heraus, dass es zum lokalen Bezug keine Quellen online gibt. Dann müssen wir vor Ort in die wissenschaftliche Landesbibliothek gehen.“

Für den 11. Jahrgang bereitet Bernsen eine Einführung vor. „Wie geht das überhaupt mit der Recherche? Wie erstelle ich eine Bibliographie? Wie funktioniert die Bibliothek? Das erkläre ich möglichst so, dass die Schüler zum selbständigen Arbeiten befähigt werden. Oft buche ich dazu auch einen Termin in der Bibliothek.“ Außerdem unterstützt Bernsen die Schüler beim Erstellen eines Arbeitsplans: „Welche Schritte muss ich einplanen? Wie viel Zeit brauche ich dafür? Wie kann ich das in vier Wochen mit je vier Unterrichtsstunden umsetzen?“

Dann geht es an die eigentliche Arbeit. Aus dem Computerraum wird eine Mischung aus Bibliothek und Redaktion. Die Schüler sollen ihre Essays im Unterricht und nicht zu Hause schreiben, damit sie sich untereinander austauschen und Rückmeldungen von Lehrer Bernsen bekommen können. „Ich sehe das als Propädeutik. Unter Anleitung lernen die Schüler nicht nur etwas über ihr Thema, sondern vor allem über selbständiges und wissenschaftliches Arbeiten im Fach Geschichte.“

Am Ende der vier Wochen senden dann alle Schüler ihre Texte als Worddatei an Lehrer Bernsen, der sie überprüft und Rückmeldungen für eine Überarbeitungsrunde gibt. „Die Veröffentlichung auf der Website erfolgt nicht durch die Schüler selbst. Wir sehen uns da in der Verantwortung für die redaktionelle Sicherung. Und es ist mir wichtig, dass Schüler in ihrem Lernprozess nicht bloßgestellt werden.“

Nach der Überarbeitung können die Schüler entscheiden, ob sie den Text durch Lehrer Bernsen veröffentlichen möchten und ob sie ihren echten Namen dafür nutzen wollen. „Die Veröffentlichung ist freiwillig – aber bisher wollte jeder“, berichtet Bernsen. „Es gab nur einen Fall, in dem eine ehemalige Schülerin drei Jahre nach dem Abitur ihren Namen entfernt haben wollte. Obwohl die Arbeit exzellent war und ja auch ein Datum dabei stand, war sie der Meinung, dass der Text nicht mehr ihren Ansprüchen genüge. Dann haben wir den Namen entfernt.“

Alle Inhalte im Projekt Classroom4.eu werden unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht, so dass sie als Open Educational Resources (OER) weiter nutzbar sind. Bernsen ist von der Grundidee des translokalen Ansatzes überzeugt, bei dem Schüler auf die Vorarbeiten aus anderen Jahrgängen und anderen Ländern zugreifen können. Schaut man heute auf die Website www.classroom4wiki.eu, so findet man vor allem Beiträge aus Schulen, die an der Gründung beteiligt waren. „Ich finde das schade“, bilanziert Bernsen, „und ich weiß noch nicht genau, woran es liegt, dass da wenig Resonanz kommt. Meine Vermutung ist, dass Themen und die Arbeitsweise den Lehrplänen entgegenstehen.“

Daniel Bernsen – Blogger und GPS-Gerät

Daniel Bernsen unterrichtet seit 2007 am Eichendorff-Gymnasium in Koblenz in den Fächern Geschichte, Spanisch und Französisch. Er koordinierte seit 2013 ein BYOD-Projekt in der 7. und 8. Klasse. Viele seiner Ideen und Erfahrungen teilt er, in wissenschaftlichen Publikationen oder im Netz. Dort führt er das Blog zum BYOD-Projekt (byodkoblenz.wordpress.com), bereits seit 2009 das Blog „Medien im Geschichtsunterricht“ (geschichtsunterricht.wordpress.com) und neuerdings auch ein Blog „Bildung, Netz & Politik“ (bipone.wordpress.com).

Wenn man Bernsen nach seinem Selbstverständnis als Lehrer fragt, zitiert er eine Metapher des kalifornischen Lehrers Aarons Sams: „Wenn das Lernen ein individueller Weg ist, dann übernimmt der Lehrer die Aufgabe eines GPS-Geräts. Er unterstützt den Lernenden bei der Erreichung des Ziels, indem er unterschiedliche Routen vorschlägt. Der Lernende kann den Vorschlägen folgen, er kann aber auch Abkürzungen und Umwege nehmen oder eigene Routen entwickeln. Wichtig ist, dass der Lernende nicht ‚per Anhalter’ oder ‚im Lehrerauto’ zum Ziel gebracht wird.“

Ende der Kopierschlachten

Daniel Bernsen erinnert sich daran, dass ihm im Referendariat ab 2002 immer wieder ein großes Wort vorgesetzt wurde: Binnendifferenzierung! „Das war so ein Zauberwort. Uns wurde in der Ausbildung gesagt, dass das ganz wichtig sei. Aber wie man es konkret macht, wurde uns nicht beigebracht. Man hat dann gelernt, dass es darum geht, möglichst viele verschiedene Materialien mit in den Unterricht zu bringen. Das waren wahre Kopierschlachten.“

Mit dem Einzug digitaler Medien sieht Daniel Bernsen ganz neue Möglichkeiten für die Binnendifferenzierung. „Wir können stark differenzieren, was die Lerninhalte angeht. Und wir können stark differenzieren, was die Lernprodukte und damit in der Folge auch was die Lernwege angeht. Digitale Medien helfen nicht bei der Individualisierung – sie ermöglichen die konsequente Individualisierung erst!“ Bernsen sieht die Konsequenzen der Digitalisierung nicht auf die didaktische Ebene begrenzt. „Solange man nicht die große Wahl zwischen Inhalten und Formen hatte, musste man auch nicht darüber nachdenken. Das kam erst mit dem Digitalen. Auch in der Arbeitswelt spielt das eine immer größere Rolle: Ich muss ständig entscheiden, in welcher Form ich etwas aufbereite. Schüler müssen alle Formen kennenlernen, um zu entscheiden, wann sie mit was gut lernen können. Damit werden auch Persönliche Lernumgebungen relevanter. Man hätte auch vor 20 Jahren darüber nachdenken können. Aber die Frage stellt sich erst jetzt, aus den Möglichkeiten heraus. Das ist auch eine Individualisierung des Lernen Lernens.“

Digitale Landkarte zum Ersten Weltkrieg

Bernsen hat Geschichtsprojekte mit digitalen Medien in vielfältiger Weise erprobt. „Die Struktur ist dabei immer gleich. Ich stelle ein Thema vor, das vom Lehrplan vorgegeben ist. Dann sammeln wir eigene Fragen zu diesem Thema, zum Beispiel einfach auf Papier an der Pinnwand. Wir clustern die Fragen und Schüler entscheiden sich, welche Aspekte sie bearbeiten möchten.“

Anschließend geht es um die Form, in der die Lernergebnisse präsentiert werden sollen. Bernsen fragt die Schüler, welche Form sinnvoll ist. „Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal ist es eine Zeitung, manchmal ein Comic. Wir machen Kurzfilme oder Fotogeschichten. Beliebt sind auch digitale Karten. Eine 8. Klasse kann zum Beispiel zum Thema Erster Weltkrieg historische Orte auf einer digitalen Landkarte markieren und an jedem Ort unterschiedliche Medien einbinden, die die Geschehnisse und Spuren dokumentieren.“

Aber woher nehmen die Schüler die Kompetenzen, entsprechende digitale Dienste und Werkzeuge einordnen und nutzen zu können? „Die Lernenden müssen altersgemäß mit den Eigenheiten der Erzählformen vertraut sein. Aber das ist nicht neu, sondern bereits heute fester Bestandteil vieler Unterrichtsfächer. Da müssen wir als Lehrer das Spektrum um die Möglichkeiten digitaler Erzähltechniken ergänzen. So kann die Entscheidung über die Form des Lernprodukts zunehmend in die Verantwortung der Lernenden gestellt werden.“

Die Entscheidung über Aufwand und Art der Recherche fällt Bernsen je nach Projekt und Vorkenntnissen der Schüler. „Manchmal reicht das Schulbuch als Grundlage aus. Bei anderen Projekten gehen die Schüler raus und suchen Denkmäler in Koblenz und recherchieren dort.“

Macht das nicht viel Arbeit, Herr Bernsen? „Natürlich ist Frontalunterricht mit Schulbuch einfacher und schneller. Wenn ich da eine Stunde einmal vorbereitet habe, brauche ich in den Folgejahren nur noch fünf Minuten Vorbereitung.“ Bernsen Urteil über die neuen Arbeitsformen fällt dennoch eindeutig positiv aus: „Es lohnt sich! Die Motivation der Schüler ist gesteigert, wenn sie nach eigenen Interessen arbeiten können. Das geht schon heute, in dem vorgegebenen Rahmen, auch mit 45-Minuten-Takt und Lehrplan. Es funktioniert gut – überraschend gut, denke ich manchmal.“

Geschichte – das heißt immer Medien!

Daniel Bernsen ist nicht nur Geschichtslehrer, sondern auch Fachberater für Geschichte im Schulaufsichtsbezirk Koblenz. Wenn man ihn fragt, wo denn die Verbindungen zwischen Geschichte und digitalen Medien liegen, wird Bernsen energisch: „Geschichte bedeutet immer Medien! Die Vergangenheit ist nicht direkt zugänglich, Geschichte ist immer nur medial vermittelt. Deswegen sehe ich eine hohe Affinität zwischen Geschichte und Medienbildung. Man muss sich zum Beispiel in beiden Fällen fragen: Ist diese Quelle vertrauenswürdig? Wie beurteile ich diesen Inhalt?“

Auch auf der didaktisch-methodischen Ebene hält Bernsen den Geschichtsunterricht für besonders geeignet, um digitale Medien einzusetzen. „Da steht oft ein Arbeitsauftrag im Zentrum, der den Schülern ein konkretes Produkt vorschreibt. Das sind im Geschichtsunterricht zum Beispiel das Verfassen eines Tagebuchseintrags, eines Protokolls oder eines Briefs, die schriftliche Beantwortung einer Frage oder das Anlegen einer Zeitleiste. Digitale Medien erweitern dieses Spektrum der möglichen Lernprodukte erheblich, gerade wenn es um das Narrative geht. Es können multimediale Zeitleisten, virtuelle Geschichtsausstellungen, Filmdokus, Geocaches erstellt, Wikiartikel, Online-Kommentare, Blogbeiträge etc. geschrieben werden. Das meiste davon ging schon vorher – aber jetzt sind Kreation, Veröffentlichung und Vernetzung deutlich einfacher geworden.“

Wie viele andere Lehrer sieht Bernsen Potentiale bei der Veröffentlichung von Lernprodukten. „Schule wird transparenter, das ist grundsätzlich begrüßenswert. Die Veröffentlichung kann auch die Motivation bei den Schülern steigern, denn sie arbeiten nicht mehr nur für den Lehrer.“ Allerdings warnt Bernsen davor, die Veröffentlichung als Selbstläufer anzusehen. „Die Motivation kann auch schnell in Frust umschlagen, wenn die Klicks ausbleiben und niemand die Ergebnisse bemerkt. Deswegen muss man gemeinsam mit den Lernenden eine Zielgruppe benennen und überlegen, wie man diese Gruppe erreichen kann.“

Internationale Partnerschaften

Wenn es um Zielgruppen für Lernprodukte geht, setzt Bernsen vor allem auf Partnerklassen und internationale Projekte. „Wir richten unsere Präsentationen zum Beispiel an einer Partnerklasse in Frankreich, England oder Spanien. Auch mit Polen, Aserbaidschan oder Kanada haben wir schon schon zusammengearbeitet.“ Am Anfang steht häufig eine Videokonferenz zum gegenseitigen Kennenlernen. Bernsen empfiehlt die Möglichkeiten der Plattform eTwinning, ein Netzwerk für Schulen in Europa, das in Deutschland vom Pädagogischen Austauschdienst organisiert wird.

„Die Motivation ist sehr hoch, wenn Schüler Ergebnisse für andere Schüler in anderen Ländern erarbeiten. Umgekehrt kommt dann auch etwas aus der anderen Schule zu uns. Solche Projekte sind nur digital möglich. Früher hat man manchmal ein Brief geschrieben. Das hatte einen ganz anderen Rhythmus, und direkte Zusammenarbeit war gar nicht möglich.“ Nach Bernsens Erfahrung laufen konkrete, überschaubare Projekte besser als große Partnerschaften mit vielen Beteiligten. „Die Koordination unter den Lehrkräften ist sehr aufwändig. Und manchmal ist die Zusammenarbeit auch recht unverbindlich. Gleichzeitig bietet sich inzwischen auch die Möglichkeit, Kooperationen auf Lehrerebene zu individualisieren.“ Bernsen findet viele Kontakte inzwischen auf Konferenzen oder über Twitter.

Französisch subversiv

Neben Geschichte unterrichtet Daniel Bernsen auch Französisch. In diesem Fach führt er häufig deutsche und französische Lerngruppen über digitale Medien zusammen – mitunter mit unerwarteten Folgen. „Ich hatte in Französisch eine Schülerin, eine sehr gute Schülerin. Als ich im 12. Jahrgang in ihren Hausaufgaben einen Fehler korrigiert hatte, war sie ganz außer sich. Sie war überzeugt, dass ihr Text richtig sein müsse. Als ich sie fragte, warum sie sich so sicher sei, kam folgende Geschichte heraus: In Jahrgangsstufe 11 haben wir immer ein Projekt, in dem eine Klasse bis zu zwei Monate lang mit einer Partnerklasse in Frankreich verbunden ist. Dabei arbeiten zwei Schüler aus Deutschland mit zwei Schülern aus Frankreich in einer Gruppe zusammen. Diese Schülerin hatte nun die Verbindung nach Frankreich auch nach dem Projekt fortgeführt. Sie hat seit 1,5 Jahren immer zusammen mit der französischen Schülern die Hausaufgaben in Französisch und Deutsch gemacht! Sie haben sich gegenseitig geholfen und einander Texte und Aufgaben korrigiert. Man sieht, dass Schüler das Internet auch eigenständig, ohne die Lehrkraft nutzen können. Das Netz hat geradezu ein subversives Potential für die Schule.“

Ein BarCamp im 45-Minuten-Takt

Bernsen erprobt neue Formen nicht nur beim Lernen mit digitalen Medien, sondern auch, wenn die Medien selbst zum Thema werden. 2014 hat er ein BarCamp im Unterricht durchgeführt, eingepasst in den gegebenen 45-Minuten-Takt. „In der 8. Klasse diskutierten wir darüber, wie krass die Heterogenität in Technikfragen waren. Da gab es einige, die quasi schon halbe Hacker waren, während andere nicht mal Dateien von einem USB-Stick öffnen konnten.“ Bernsen fiel auf, dass die Schüler sich in Technikfragen oft gegenseitig unterstützten und dass es nicht immer der Lehrer war, der die größte Expertise im Raum hatte. Deswegen entwickelte er die Idee für ein BarCamp im Unterricht.

Das BarCamp-Format, auch „Unkonferenz“ genannt, basiert darauf, dass das Programm gemeinsam von allen Anwesenden gestaltet wird und jeder selbst ein Angebot im Rahmen dieses Programms macht. „Beim Thema Computer sind alle Schüler zugleich auch Experten und können selbst ein Lernangebot für Ihre Mitschüler machen“, berichtet Bernsen. „Da war klar: Wir machen ein BarCamp!“

Das BarCamp wurde in insgesamt sechs Unterrichtsstunden umgesetzt, die sich auf drei Wochen verteilten. In der ersten Stunde wurden die Themenwünsche ermittelt. Jeder Schüler schrieb anonym auf, welche Probleme er in letzter Zeit mit digitaler Technik hatte, die er selbst nicht lösen konnte. Auch weiterführende Fragen waren willkommen. Bernsen sammelte die Vorschläge ein, fasste ähnliche Fragen zusammen und erstellte daraus eine Themenliste.

In der zweiten Stunde erklärte Bernsen seinen Schülern die Methode BarCamp. Jeder Schüler sollte (alleine, zu zweit oder zu dritt) zu einem Thema aus der Themenliste einen kleinen Workshop vorbereiten. Bernsen war selbst etwas überrascht, wie gut das funktionierte. „Die vorbereitete Themenliste war sehr hilfreich. Einzelne Schüler waren zunächst der Meinung, dass sie gar keinen eigenen Beitrag liefern könnten. Dann hat aber jeder in der Liste ein Thema gefunden, zu dem er einen Workshop vorbereiten konnte.“

Die Vorbereitung der Workshops erfolgte in den Stunden drei und vier individuell bzw. mit der Kleingruppe. Dabei machte Bernsen keine Vorgaben zur Form. „Manche haben einen kleinen Vortrag erarbeitet, andere eine Diskussionsrunde vorbereitet oder eine praktische Anleitung erstellt. Um die Orientierung zu erleichtern, habe ich eine Liste mit Arbeitsschritten verteilt.“

Die einzelnen Arbeitsschritte (Bild nicht unter freiner Lizenz)
Die einzelnen Arbeitsschritte (Bild nicht unter freiner Lizenz)

 

In der dritten Woche fand dann in den Stunden fünf und sechs das BarCamp statt. Bernsen hatte die Themen in einem Zeitplan verteilt, dass für jeden Workshop ca. 20 Minuten Zeit waren und dass drei oder Workshops parallel stattfanden. „Das hat sogar in einem Raum funktioniert, in dem die Workshops je in einer Ecke stattgefunden haben. Wir haben dabei auch eine Grundregel des BarCamps umgesetzt: Jeder konnte den Workshop wechseln, wenn ihn das Thema nicht mehr interessierte.“

Der Themenplan (Bild steht nicht unter freier Lizenz)
Der Themenplan (Bild steht nicht unter freier Lizenz)

 

Bernsen bewertet das BarCamp im Unterricht als vollen Erfolg. „Die Rückmeldungen der Schüler waren überwältigend! Jeder hat selbst etwas gelernt – und zwar zu den Themen, die ihn besonders interessierte haben. Und mindestens genau so wichtig: Jeder Einzelne hat sich selbst als kompetent erlebt.“


Eckdaten zu Person und Schule

Name
Daniel Bernsen

Fächer
Geschichte, Französisch, Spanisch

Schule

  • Eichendorff-Gymnasium Koblenz (Rheinland-Pfalz)
  • ca. 900 Schülerinnen und Schüler
  • Zwei Profilschwerpunkte: Musik und UNESCO-Projektschule

Aufgaben in der Schule

  • Jugendmedienschutzbeauftragter
  • Klassen- und Stammkursleiter
  • Koordinator BYOD-Projekt (2013-2015)

Berufsbiograhie

  • 1995-2001 Studium in Bonn, Brüssel und Münster, Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung
  • 2002-2004 Referendariat am Studienseminar Trier
  • 2004-2007 Lehrer am St. Willibrord-Gymnasium Bitburg
  • Seit 2007 Lehrer am Eichendorff-Gymnasium Koblenz
  • Seit 2011 zusätzlich: Regionaler Fachberater für das Fach Geschichte im Schulaufsichtsbezirk Koblenz

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Dieser Artikel (nur Text) steht unter der Lizenz CC BY SA 4.0. Als Autor soll Jöran Muuß-Merholz im Auftrag der Bertelsmann Stiftung genannt werden.

2 Gedanken zu „Geschichte bedeutet immer Medien – Digitale Medien im Unterricht von Daniel Bernsen“

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